Strategy Sunday: Imagetransfer

Imagetransfer ist eine bewährte Werbetechnik, die auch in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Ein aktuelles Video der Kampagne von Newt Gingrich bietet sich als Anschauungsbeispiel dafür an.

Am kommenden Samstag geht es in South Carolina zur Sache. Die Vorwahlen im ersten Südstaat der primary season werden zeigen, ob Mitt Romney auf einen soliden Start-Ziel-Sieg zusteuert oder seine Wahlkampfmaschine durch die „conservative firewall“ zumindest gebremst werden kann.

Newt Gingrich hat jedenfalls noch nicht aufgegeben und sich – nach der massiven Negativkampagne gehen ihn – entschlossen, die Samthandschuhe abzulegen. Kein Wunder, denn sein Versprechen einer positiven Kampagne wurde von den WählerInnen nicht honoriert.

So hat ein Newt Gingrich unterstützender Super-PAC zuletzt eine Werbeoffensive gestartet, in der Mitt Romney als kaltschnäuziger Jobkiller dargestellt wird. Doch der kapitalismuskritische Unterton dieser Kampagne – Rick Perry bezeichnete Romney zuletzt als „Aasgeier-Kapitalisten“ – scheint bei republikanischen WählerInnen nicht so gut anzukommen wie bei Unabhängigen (was dem Obama-Camp helfen könnte).

Wohl auch deshalb setzt das Gingrich-Lager nun – wie das folgende Online-Video zeigt – auf die Verknüpfung mit Stereotypen, die zum kollektiven (Unter-)Bewusstsein der republikanischen Basis gehören:

In diesem Video wird so viel amerikanische Wahlkampfgeschichte auf eine Minute komprimiert, dass es eine genauere Obduktion verdient hat:

  • Der Clip beginnt mit der Frage „What has Massachusetts given us?“ (und meint damit offensichtlich nicht John F. Kennedy). Vielmehr soll der republikanischen Basis ins Bewusstsein gerufen werden, dass der eher zu den Demokraten tendierende Bundesstaat (mit seinen renommierten Hochschulen wie z. B. dem M.I.T.) schon seit jeher eine Brutstätte der liberalen Elite des Landes war. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass Massachusetts der erste Staat in den USA war, der die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnete.
  • Danach eröffnet das Video mit einer legendären Aufnahme von Michael Dukakis, dem erfolglosen demokratischen Präsidentschaftskandidaten des Jahres 1988, dessen peinlicher Auftritt in einem Panzer noch heute als eine der missglücktesten Photo Ops der amerikanischen Wahlkampfgeschichte gilt.
  • Es geht weiter mit John Kerry, dem etwas steifen demokratischen Loser der Präsidentenwahlen 2004, der schon von der damaligen Kampagne seines Gegenspielers George W. Bush als Windsurfer aufs Korn genommen wurde.
  • Und dann kommt Mitt Romney ins Bild – mit einem Statement, in dem er sich vom republikanischen Säulenheiligen Ronald Reagan distanziert. Dazu muss man wissen: Gerade in South Carolina versucht Gingrich an den Mythos Reagan anzuknüpfen, indem er die WählerInnen daran erinnert, dass die dortigen Vorwahlen 1980 maßgeblich dazu beigetragen haben, die erfolgreiche Präsidentschaftskandidatur Reagans zu sichern. „When South Carolina voted for Ronald Reagan, he wasn’t Ronald Reagan, not the Reagan we remember. He became the Ronald Reagan we remember.“ erklärte Gingrich neulich im Rahmen eines Wahlkampfauftritts in South Carolina.
  • In weiterer Folge zählt das Video auf, warum Mitt Romney für einen waschechten Republikaner unwählbar ist. Dabei wird der Eindruck erweckt, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts wäre auf einer Linie mit den Demokraten. Diese Sequenz endet mit einem Motiv, das wir in diesem Jahr wohl noch öfter sehen werden: Mitt Romney als der „Kandidat mit den beiden Gesichtern“.
  • Und zum Schluss kommt dann noch eine Attacke, die man hierzulande (wo Bildung eher als Stärke von PräsidentschaftskandidatInnen gilt) wohl nur kaum versteht. Denn gegen Ende wirft der Spot Mitt Romney vor – wie John Kerry – französisch zu sprechen (und belegt dies durch einen O-Ton, der einer Grußbotschaft Romneys für die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City entnommen wurde).

Die Technik hinter diesem Spot hat einen Namen: Imagetransfer. Damit wird das werbepsychologische Phänomen bezeichnet, dass bei der gemeinsamen Präsentation von zwei „Imageträgern“ (das können Personen, Produkten, Marken etc. sein) Bestandteile des Images von einem Imageträger auf den anderen übertragen werden.

Das liberale Image von Massachusetts (der „Country-of-Origin-Effekt“ ist ein Spezialfall des Imagetransfers), das Loser-Image von Dukakis und Kerry, das elitäre Image der Frankophilie – all diese (miteinander verbundenen) Imageattribute sollen durch das obige Video auf Romney transferiert werden. Gleichzeitig möchte sich Gingrich in seinen Auftritten von diesem Bild des liberal-elitären Losers absetzen, indem er sich als legitimen Erben Ronald Reagans darzustellen versucht.

Die Strategie des Imagetransfers funktioniert natürlich auch positiv: Wer eine Late Night Show besucht, machte Punkte in den Kategorien „witzig und schlagfertig“, wer sich mit SportlerInnen trifft, wirkt „dynamisch und erfolgreich“, wer Wirtschaftsbosse um sich schart, bekommt „wirtschaftliche Kompetenz“ zugeschrieben und wer sich das Endorsement eines Nobelpreisträgers sichern kann, gilt als „vernünftig und intelligent“. Was auch immer KandidatInnen an Imageattributen fehlt, kann durch die richtige Verbindung mit anderen ImageträgerInnen (wenigstens teilweise) ausgeglichen werden.

Newt Gingrich ist jedenfalls wild entschlossen, Mitt Romney keinen „free ride“ in Sachen Imageaufbau zu schenken. Vielleicht orientiert er sich dabei an einem Zitat der französischen Literatur: „Les plus coupables sont les moins généreux – c’est la règle.“

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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