Strategy Sunday: Geld

Von heute an sind es noch genau 100 Tage bis zur Wahl des US-Präsidenten. Ein würdiger Anlass, um sich mit dem Treibstoff jeder funktionierenden Wahlkampfmaschinerie zu befassen: Geld. Die Fähigkeit einer Kampagne, die erforderlichen Mittel für ihre Arbeit aufzustellen, ist überall – aber ganz besonders in den USA – entscheidend für ihren Erfolg.

In den USA haben PolitikerInnen, die eine Hemmung haben, nach Geld zu fragen, keine Chance. Es gibt dort keine staatlich geregelte Parteienfinanzierung, weshalb KandidatInnen (erst recht bei parteiinternen Vorwahlen) das Geld für ihre Wahlkämpfe selbst aufbringen müssen. Dementsprechend professionell wird das Fundraising betrieben, also das zielgerichtete Sammeln von Spenden. Im Vergleich zu Österreich geschieht das ziemlich transparent und nachvollziehbar (wenngleich es natürlich auch in den USA Versuche gibt, Zuwendungen von Unternehmen – die von späteren Gesetzesänderungen profitieren könnten – zu verschleiern).

Die quartalsweise zu meldenden Bilanzen der Spendensammler haben aber nicht nur einen unmittelbaren Effekt auf die Kampagnen, die in ausufernden Werbe- und Materialschlachten jeden Cent brauchen können. Wer besonders erfolgreich darin ist, Geld aufzustellen, hat auch einen psychologischen Vorteil auf seiner Seite. Denn Politikinsider wie auch die Medien beobachten sehr genau, wessen Kriegskasse praller gefüllt ist – und beurteilen danach die Chancen der KandidatInnen. Immerhin verschlingen die US-Wahlkampagnen in diesem Jahr mehrere Milliarden US-Dollar …

Obama unter Druck

Die zuletzt veröffentlichen Zahlen waren für das Lager des US-Präsidenten eher unerfreulich. Im Juni haben die Republikaner den zweiten Monat in Folge mehr Spenden für den Wahlkampf lukriert als das Obama-Camp. Rechnet man die Einnahmen der Kampagnen, der Parteien und der beiden die Kandidaten unterstützenden Super-PACs zusammen, hat Mitt Romney im vorigen Monat 92,5 Mio. US-Dollar eingenommen, während Obama nur auf 69,1 Mio. US-Dollar kam. In Summe hat der Amtsinhaber, dessen Fundraiser bislang 490,6 Mio. US-Dollar aufstellten, noch die Nase vorne. Doch das Romney-Camp hatte bereits im Juni mehr „cash on hand“ (also frei verfügbare Mittel) – und die Fundraising-Saison geht jetzt erst richtig los.

„I will be the first president in modern history to be outspent in his re-election campaign“ warnte der Amtsinhaber daher neulich in einem Fundraising-E-Mail an seine UnterstützerInnen. Der dramatische Aufruf ist kein taktischer Versuch, sich als „underdog“ darzustellen und damit Sympathiepunkte zu sammeln. Denn rechnet man alle republikanischen Super-PACs zusammen, haben diese für die Wahlen im November mit rund 158 Mio. US-Dollar bereits drei Mal soviel Cash an Land gezogen wie jene der Demokraten.

Die Rolle der Super-PACs

Super-PACs sind die „Innovation“ dieser US-Wahl. Sie sind die Folge eines höchstgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2010 („Citizens United v. Federal Election Commission“), wonach „Political Action Committees“ – Lobbying- und Kampagnenorganisationen zur Unterstützung oder Bekämpfung von KandidatInnen, Gesetzesinitiativen etc. – uneingeschränkt Spenden annehmen und Geld ausgeben dürfen, solange sie sich nicht mit der Kampagne eines Kandidaten koordinieren. (Wie man sich erfolgreich nicht koordiniert, haben Jon Stewart und Stephen Colbert erfolgreich – und sehr unterhaltsam – vorgezeigt.)

Das „Citizens United“-Urteil war eine schwere Niederlage für die Federal Elections Comission (FEC), jene staatliche Einrichtung, die für die Überwachung der Kampagnenfinanzierung in den USA zuständig ist. Prinzipiell müssen alle Spendeneingänge bei der FEC gemeldet werden. Dabei gibt es eigentlich – je nach Spender und Empfänger – unterschiedliche Limits, z. B. darf eine Person pro Wahl maximal 2.500 US-Dollar an eine Kampagne spenden – da Vorwahlen und Wahlen dabei getrennt betrachtet werden, macht das in Summe 5.000 US-Dollar pro Wahlsaison. (Die New York Times erklären in ihrem „Guide to donations“ die unzähligen Varianten des Spendens sehr übersichtlich.)

Woher das Geld kommt …

Mit den Super-PACs werden die eigentlich recht strengen Beschränkungen, die für die Kandidaten bzw. deren Kampagnen, die Parteien, Political Action Committees und Non-Profit Organisationen gelten nun praktisch ausgehebelt – was ein Vorteil für die Republikaner ist, die naturgemäß mehr spendenfreudige Millionäre zu ihrer „Basis“ zählen:

Wie schon erwähnt, ist in den USA im Vergleich zu Österreich recht gut nachvollziehbar, wer für eine Kampagne (wieviel) Geld spendet. So hat z. B. Pro Publica, eine unabhängige, gemeinnützige Organisation für „Journalismus im öffentlichen Interesse“, aus der „New York Times Campaign Finance API“ (die mit FEC-Daten bespielt wird) eine sehr interessante Seite namens „PAC Track“ gemacht.

Hier wird übersichtlich dargestellt, wer die größten SpenderInnen dieses Wahlkampfs sind und welcher Super-PAC über die größte Kriegskasse verfügt. Wenig überraschend wird diese Liste derzeit vom Casino- und Immobilienmogul Sheldon Edelson und dessen Ehefrau Miriam angeführt, die bis Ende Mai diesen Jahres bereits 30 Mio. US-Dollar zur Unterstützung der Republikaner lockergemacht hatten. Adelson hat bereits erklärt, in dieser Saison mehr als 100 Mio. US-Dollar in den Wahlkampf der GOP pumpen zu wollen. Dennoch könnten ihn die Milliardäre Charles und David Koch, die angeblich bereit sind, 400 Mio. US-Dollar für die Republikaner auszugeben, als „big spender“ in den Schatten stellen. Neben solchen Beträgen wirken die zweistelligen Millionenspenden von Milliardären wie Harold Simmons, Foster Freiss oder Bob Perry schon beinahe kleinlich. Nur zum Vergleich: Der größte Einzelspender der Demokraten ist derzeit der Filmproduzent Jeffrey Katzenberg, dem Obamas Wiederwahl bislang rund 2,3 Mio. US-Dollar Wert war. (Wer mehr über die Super-PACs wissen möchte, sollte in nächste Zeit mal öfter bei „Politico“ vorbeischauen, die mit „Get to know a Super-PAC“ eine Video-Serie gestartet haben, mit der sie die verschiedenen Super-PACs näher vorstellen.)

… und wofür es ausgegeben wird

Sollte Romney die Wahl gewinnen, werden die Super-PACs einen großen Anteil dieses Erfolgs für sich beanspruchen dürfen. Noch ist nicht ausgemacht, ob sie die Wahl entscheiden werden, eine Auswirkung dieser neuen Spielmacher in der US-Politik ist aber bereits sichtbar: Der Großteil des Geldes wird dafür ausgegeben, den jeweiligen Gegenkandidaten schlecht zu machen. Seit April hat die Obama-Kampagne etwa die Hälfte ihrer Ausgaben für „negative ads“ getätigt und die Werbespots aus dem Lager von Mitt Romney waren sogar zu zwei Dritteln negativ. Ohne große Fundraising-Maschinen wären solche Schlammschlachten kaum denkbar, denn TV-Werbung (die vor allem in den battleground states gebucht wird) ist verdammt teuer – und nach wie vor der mit Abstand größte Kostenbrocken jeder Kampagne.

Wenn wir schon beim Geld ausgeben sind: Sehr interessant ist auch die Seite, auf der Pro Publica visualisiert, wofür die Kampagnen und (Super-)PACs Geld ausgeben – und damit die Spitzenverdiener dieses Wahlkampfs (neben den Medien) ausweist. Bislang führt hier mit Mentzer Media Services jene Werbeagentur, die seinerzeit mit den „Swift Boat Veterans for Truth“ als Kunden John Kerrys Präsidentschaftsambitionen erfolgreich beschädigten. Mentzer hat vom Romney-Super-PAC „Restore Our Future“ bislang rund 25 Mio. US-Dollar erhalten.

Top-Auftragnehmer der Romney-Kampagne ist wiederum eine Medienberatungsfirma namens American Rambler Productions. Das von drei langjährigen Romney-Beratern im Mai 2011 gegründete Unternehmen hat bislang Leistungen im Umfang von fast 19 Mio.US-Dollar an dessen Kampagne verrechnet. Und größter Lieferant der Obama-Kampagne ist eine auf Fundraising und Direct Marketing spezialisierte Agentur mit dem schlichten Namen AB Data, die bereits 2008 für Obama gearbeitet hat und sich bislang über Aufträge mit einem Gesamtvolumen von rund 16 Mio.US-Dollar freuen konnte.

Money can’t buy love

Werbung, Meinungsforschung, Fundraising, Direct Marketing, Kampagnenbüros – alles, was Kampagnen erfolgreich macht, ist verdammt teuer. Umso wichtiger ist es für WahlkämpferInnen in den USA, finanziell nicht ins Hintertreffen zu geraten – nicht zuletzt, weil das an ihrem Siegerimage kratzt und Zweifel an ihrer Kampagne schürt.

Damit angesichts der großen Schecks, die in den letzten Wochen die republikanischen Kriegskassen füllten, keine Unruhe in den Reihen der Demokraten ausbricht, versucht das Obama-Camp dieses Thema herunterzuspielen. „You can spend all the money in the world, if you’ve got a bad product, it doesn’t matter“, gab sich der Filmtycoon und Obama-Fundraiser Harry Weinstein neulich in einem Interview mit Rachel Maddow betont gelassen. (Wer gerade 18 Minuten Zeit hat, kann sich übrigens den kompletten Beitrag zu diesem Thema hier ansehen – er ist jede Minute wert.)

Weinstein hat prinzipiell Recht, wenn er meint, dass Geld nicht die wichtigste Ressource einer Kampagne ist. Die richtige Botschaft, eine große Basis an motivierten UnterstützerInnen und erfolgreiche Medienarbeit sind mindestens ebenso wichtig, wie auch Frank Stronach noch feststellen wird. Doch im Obama-Camp dürften die Alarmglocken bereits geläutet haben. Denn im Wahlkampffinale wirkt fast jede Kampagne, die „outspent“ wird, als würde ihr die Luft ausgehen – und bei einer knappen Wahlentscheidung könnte das ausschlaggebend sein.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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