Strategy Sunday: Frühe Attacken

Eine alte Kampagnenregel lautet: Je weniger über einen Kandidaten bekannt ist, desto verletzlicher ist sein Ruf. Aus diesem Grund setzen die Negativkampagnen (nicht nur in den USA) eher früh ein. Das lässt sich auch derzeit beobachten.

Es werden noch Wochen vergehen, bis die erste republikanische Vorwahlstimme abgegeben sein wird, doch die Demokraten haben das Feuer auf Mitt Romney bereits eröffnet. Die Obama-Kampagne scheint davon auszugehen, dass der ehemalige Gouverneur von Massachusetts zum Herausforderer des Amtsinhabers gekürt wird.

Wer sich für Wahlbörsen interessiert, wird diese Einschätzung übrigens auch von der Website Intrade.com bestätigt finden, die Romney aktuell eine fast 70 %-ige Chance einräumt, Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden. Auf der gleichen Plattform liegen die Wiederwahlchancen Obamas im Bereich der kritischen 50 %-Marke.

Dementsprechend konzentrieren sich die Demokraten darauf, das Image Romneys nun möglichst frühzeitig zu attackieren. Im Mittelpunkt steht dabei eine der größten Schwachstellen des ehemaligen Gouverneurs von Massachusetts, seine – diplomatisch formuliert – politische Flexibilität. Romney hat den Ruf, seine Positionen immer wieder an die politische Großwetterlage anzupassen und keine Linie zu haben, kurz: ein „Flip-Flopper“ zu sein, wie die Amerikaner das nennen. Oder, wie Obama-Berater David Plouffe es noch deutlicher auf den Punkt brachte: Mitt Romney „has no core“.

Untermauert wird diese Position durch die Website whichmitt.com, die mit sehr einfachen, aber wirksamen Mitteln anschaulich macht, wie widersprüchlich (um nicht zu sagen: opportunistisch) viele Aussagen Romneys sind. In die gleiche Kerbe schlagen inzwischen auch innerparteiliche Gegenspieler Romneys, die um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner rittern. So veröffentlichte die Kampagne von Jon Huntsman erst kürzlich ein Video, das zum Teil sogar auf jenes Material zurückgriff, das die „Gegnerbeobachtung“ der Demokraten fein säuberlich zusammengetragen hatte.

Die Obama-Kampagne folgt damit dem Drehbuch der erfolgreichen Wiederwahlkampagne von George W. Bush im Jahr 2004, die bereits sehr früh begonnen hatte, die Reputation des demokratischen Kandidaten John Kerry anzugreifen (eine der übelsten Attacken ritten damals übrigens die „Swift Boat Veterans For Truth“).

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Obama-Kampagne Mitt Romney im Fall seiner Kür zum Präsidentschaftskandidaten noch härter anfassen wird. Eine vielleicht wahlkampfentscheidende Frage könnte dabei sein, ob es den Demokraten gelingt, die Wirtschaftskompetenz Romneys in Frage zu stellen. Denn wenn es Romney schafft, sich als erfolgreichen „job creator“ darzustellen, könnte er für Obama – angesichts der schwierigen Wirtschaftslage – brandgefährlich werden …

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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7 Rückmeldungen zu “Strategy Sunday: Frühe Attacken”

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  1. [...] durch einige TV-Spots auf, die seinen (aussichtsreicheren) Mitbewerber Mitt Romney an dessen Schwachpunkt attackierten. Noch mehr Aufmerksamkeit erzielt aber nun ein Video, mit dem seine Töchter Liddy, [...]

  2. [...] der am weitesten vom Herz der republikanischen Basis entfernt ist (die nicht zuletzt mit seiner ideologischen Flexibilität hadert). Es ist daher kein Zufall, dass die aussichtsreichsten „Anti-Romneys“ – Herman Cain, [...]

  3. [...] zeigt sich, dass die Entscheidung des Obama-Camps richtig war, Mitt Romney möglichst früh zu attackieren. Die Flip-Flop-Vorwürfe kosten Romney nicht nur bei unentschlossenen WählerInnen [...]

  4. [...] Romney wird bekanntlich vorgeworfen, ein moderater Flip-Flopper zu sein, dessen Überzeugungen sich stets an der politischen Großwetterlage orientieren. Statt [...]

  5. [...] bis seine Gegner in dieser ziemlich missglückten Metapher eine optimale Gelegenheit erkannten, die mangelnde Grundsatztreue Mitt Romneys (wieder einmal) zu thematisieren. Rick Santorum ließ es sich jedenfalls nicht nehmen, bei seinem [...]

  6. [...] zu betrachten, dass sich der Fokus seiner Kampagne zuletzt verändert hat. Statt Mitt Romney nur als „Flip-Flopper“ zu attackieren (was dem Ex-Gouverneur von Massachusetts im Vorwahlkampf bei der republikanischen Basis geschadet [...]

  7. [...] allerersten „Strategy Sunday“ habe ich 2012 dem Thema „Frühe Attacken“ gewidmet. Schon bevor die republikanischen Vorwahlen damals begonnen hatten, arbeitete die [...]


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