
Wie zufrieden das Wahlvolk mit PolitikerInnen ist, hat nur zum Teil damit zu tun, welche Erfolge sie vorweisen können. Entscheidend ist auch, wie hoch die Erwartungshaltungen sind. Keine Kampagne weiß das besser als jene von US-Präsident Obama.
Es war einmal … ein Personentransportunternehmen (ich nenne jetzt keinen Namen), dessen Kunden unzufrieden waren. Messungen ergaben, dass Verspätungen eine der Hauptursachen dafür waren. Also arbeitete das Unternehmen hart daran, die Anzahl und Dauer der Verspätungen zu reduzieren und war dabei durchaus erfolgreich. Dann passierte jedoch ein folgenschwerer Fehler: Das Unternehmen warb mit seiner „neuen“ Pünktlichkeit – und am Ende waren die Kunden unzufriedener als vorher. Der Grund dafür war, dass die Werbekampagne die Erwartungshaltungen der Fahrgäste stark gesteigert hatte. Waren sie vorher mit fünf Minuten Verspätung unzufrieden, so wurden sie danach bereits nach zwei Minuten Wartezeit richtig sauer. Das Unternehmen hatte also vieles richtig gemacht, aber an einem entscheidenden Punkt versagt: dem Steuern der Erwartungen.
„Expectation Management“
Dem „Expectation Management“, wie es im anglo-amerikanischen Raum heißt, kommt deshalb eine so wichtige Rolle zu, weil Zufriedenheit – etwas vereinfacht gesagt – die Differenz zwischen Erwartung und Leistung ist. Die folgende Grafik stellt diesen Zusammenhang anschaulich dar (sie basiert übrigens auf einem Kundenzufriedenheitsmodell des deutschen Dienstleistungsforschers und Unternehmensberaters Dr. Frank Dornach; Quelle: Wikipedia).
Das sensible Verhältnis zwischen erwarteter und tatsächlicher Performance bedeutet für jede politische Kampagne, dass sie darauf achten muss, wann sie die Erwartungshaltungen (z. B. durch Tiefstapelei) dämpft oder (z. B. durch Ankündigungen) erhöht. In der Praxis ist die Steuerung von Erwartungshaltungen allerdings eine überaus riskante Gratwanderung. Setzt sich z. B. ein Volksbegehren (ich nenne jetzt keinen Namen) eine niedrige Messlatte, wird es weniger Menschen mobilisieren können. Setzt es sich die Messlatte jedoch zu hoch, kann sogar ein durchaus respektables Ergebnis letztlich „enttäuschend“ sein. Vor einem ähnlichen Dilemma steht nun auch die Wiederwahlkampagne von US-Präsident Obama.
Obamas Dilemma
Das Obama-Camp war sich bereits vor den US-Wahlen 2008 bewusst, dass die hochgeschraubten Erwartungen von Obamas WählerInnen ein handfestes Problem sind. Je stärker sich ein Wahlerfolg für Obama abzeichnete, desto öfter wurden seine Wählerinnen und Wählern darauf hingewiesen, dass ein einzelner Mensch – selbst, wenn es sich um den US-Präsidenten handelt – das politische System der Vereinigten Staaten zwar beeinflussen, aber nicht ändern kann. Doch Obama hatte „Change“ versprochen und die Menschen haben ihn gewählt, weil sie sich „Change“ erwartet haben. Objektiv betrachtet, hat die Obama-Administration durchaus einige Erfolge vorzuweisen. Doch die Hoffnungen seiner WählerInnen von 2008 wurden nicht erfüllt – was es schwer macht, sie im kommenden Jahr wieder an die Wahlurnen zu bringen.
Obamas „approval rate“ ein Jahr vor den Wahlen ist jedenfalls besorgniserregend für den Präsidenten – und wird von den Republikanern genüsslich mit jenen des (nicht wiedergewählten) Demokraten Jimmy Carter verglichen. Aus diesem Grund muss es Obama in der verbleibenden Zeit bis zu den Wahlen gelingen, die demokratische Basis wieder zu begeistern ohne sie an ihre enttäuschten Hoffnungen zu erinnern.
Dieser gefährliche Spagat wird von der „Washington Post“ auf den Punkt gebracht:
Expectations, as the Obama team learned over the past few years, are a dangerous thing in politics. Too high and you can’t meet them. Too low and people start believing you can’t change things. Can Obama and his team find an expectations middle ground for 2012?
Eine kaum zu lösende Aufgabe. Nur wer sich hier nicht zuviel vom Obama-Camp erwartet, wird letztlich nicht enttäuscht sein.
Wirklich Nett! Gefaellt mir! Wo ist denn der Facebook-Like-Button?
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