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Strategy Sunday: Bücher

Wer sich für einen Job bewirbt, muss dafür einen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben verfassen. Das gilt auch für Bewerber um das Amt des US-Präsidenten – nur müssen die mindestens ein Buch vorlegen.

Man könnte glauben, dass ein so beschauliches Medium wie das Buch in den Wahlkampagnen des Internet-Zeitalters keine Rolle mehr spielt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ein Präsidentschaftskandidat ohne Buch ist in den USA undenkbar. Und das nicht deshalb, weil das dortige Wahlvolk sich von intellektuellen Statussymbolen beeindrucken lässt (das ist eher ein österreichisches Spezifikum, wo schon mal die akademischen Grade von KandidatInnen auf Wahlplakaten angeführt werden), sondern weil Bücher ein äußerst effektives Kampagnenmedium sind.

Langsam, aber umso nachhaltiger

Bücher wirken zwar nur langsam, aber dafür umso nachhaltiger. Wer sich die Zeit nimmt, das Buch eines Kandidaten zu lesen, hat am Ende mehrere Stunden mit dessen Ansichten zugebracht – und neigt dazu, die gewonnenen Erkenntnisse auch an andere weiterzugeben. Im Marketing werden solche Personen auch als „MarkenkennerInnen“ bezeichnet und als wichtige BotschafterInnen jeder Marke geschätzt. Bücher sind also nicht zu unterschätzen, wenn es darum geht, die in Wahlkampagnen so wichtige Meinungsführerschaft zu erringen.

Eine einfache Rechnung mag die Wirkung dieses oft unterschätzten Mediums vielleicht unterstreichen: Nehmen wir an, 20.000 Leute lesen jeweils vier Stunden in einem Buch über eine/n KandidatIn, dann macht das in Summe 4,8 Millionen Minuten. Ein 30 Sekunden langer TV-Spot muss von 9,6 Millionen Menschen gesehen werden, um das gleiche Ausmaß an Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Es gibt kaum ein Medium, dass das Budget einer Wahlkampagne weniger belastet (für manche Kandidaten ist es sogar ein gutes Geschäft) und dabei auch noch in Form von Lesereisen und Signierstunden zahlreiche Gelegenheiten bietet, den Kontakt mit dem Wahlvolk zu pflegen.

Kampagnenmedium 1.0

Kein Wunder also, dass amerikanische Politiker dieses Medium sehr gezielt einsetzen. Barack Obama begann seine politische Karriere 1995 mit der Veröffentlichung seiner Memoiren (!) „Dreams from My Father“ und legte rechtzeitig vor seiner Kandidatur zum US-Präsidenten mit „The Audacity of Hope“ die Grundzüge seines späteren Wahlprogramms dar.

Auch die Bewerber um die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten haben im Vorfeld der Wahlen ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckt: Ron Paul verspricht nicht weniger als „The Revolution“ (ein Bestseller), Newt Gingrich (der mit Abstand die längste Bibliografie vorweisen kann), verkauft u. a. „Real Change“, Mitt Romney setzt auf „No Apology“ und Rick Santorum postuliert „It Takes A Family“ (nicht zu vergessen Rick Perrys Machwerk „Fed Up!“ oder „This is Herman Cain!“ von, äh, ja genau).

Allen diesen Büchern ist gemeinsam, dass sie das Leben und die Ansichten der Kandidaten in eine (mehr oder minder) stimmige, durch und durch amerikanische Geschichte packen, der nur ein letztes Kapitel fehlt: das „Happy End“ im Weißen Haus.

In Österreich ist diese Tradition nicht sonderlich verbreitet, wobei es aber natürlich auch Ausnahmen gibt: So hat z. B. Erwin Pröll, der ja bekanntlich nicht als großer Leser gilt, im vergangenen Herbst sein politisches Profil „Zum Glück siegt immer die Zuversicht“ auf den Buchmarkt werfen lassen. Seltsam ist daran nur, dass er das Präsidentenamt nun abschaffen will …

P.S.: Hier noch ein kleiner Nachtrag zu meinem Beitrag über „Imagetransfer“. Nate Silver hat in seinem Blog nachgezählt, wie oft Newt Gingrich in den bisherigen TV-Debatten Ronald Reagan erwähnt hat. Im „Reagan Count“ hängt er Romney mit 55 : 6 deutlich ab.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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