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Strategy Sunday: Guerilla Campaigning

Guerilla Campaigning zielt darauf ab, mit möglichst geringem Aufwand eine maximale (Medien-)Wirkung zu erzielen – bevorzugt, indem man Aktivitäten des politischen Gegners kapert. Das ist nicht besonders fein, oft sehr riskant, aber manchmal auch erstaunlich effektiv.

Beinahe schon ein Klassiker des Guerilla Campaignings ist „Chicken George“, ein Mann in einem riesigen Hühnerkostüm, der 1992 eine zeitlang jeden öffentlichen Auftritt von George Bush begleitete – sehr zum Gaudium der Medien.

Das schwer zu übersehende Riesenhuhn verunglimpfte den Amtsinhaber als „chicken“, sprich: Feigling, da dieser lange nicht bereit war, einer TV-Diskussion mit seinem Herausforderer Bill Clinton zuzustimmen. Dabei positionierte es sich bevorzugt an Plätzen, wo Kameras und Medienleute in der Nähe waren, die überdies mit gegrillten Hühnern verköstigt wurden. Am Ende war Bush offensichtlich genervt von dieser – ansonsten vollkommen friedlichen – Störaktion. Und das flauschige Federvieh hatte es tatsächlich geschafft, sein Image anzukratzen.

Wie sich später zeigte, stand hinter dieser (verdeckt durchgeführten) Operation die Kampagne von Bill Clinton. Auch große NGOs wie z. B. die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die mit dem Hijacking eines Werbespots von Nestlé für Aufsehen sorgte, haben die Macht des Guerilla Campaignings längst erkannt. Noch viel häufiger setzen aber kleinere AktivistInnengruppen, die über keine oder nur wenig Mittel verfügen, auf derartige Instrumente. Im Mittelpunkt stehen dabei meist simple, aber auffällige (Stör-)Aktionen, mit denen sie auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

„Glitter bombing“

In diese Kategorie fällt auch eine neue Protestform made in USA, die in der heurigen Wahlsaison noch öfter für Schlagzeilen sorgen könnte: „Glitter bombing“. Dabei bewerfen AktivistInnen jene Person, gegen deren Ansichten sie protestieren, mit – richtig geraten – Glitter. Ziel solcher Aktionen, die häufig vom Ruf „Stop the hate, take the rainbow“ begleitet werden, sind vorrangig erklärte GegnerInnen der gleichgeschlechtlichen Ehe. In der Praxis sieht das dann so aus:

Newt Gingrich ist beileibe nicht das einzige Opfer dieser Aktionsform. Auch Mitt Romney, Rick Santorum und Ron Paul haben bereits Bekanntschaft mit dem Glitterregen gemacht.

Angriff auf die Meinungsfreiheit?

So originell diese Protestform im ersten Moment wirken mag, so umstritten ist sie inzwischen auch. „Glitter bombing“ wird nicht nur von den Opfern solcher Aktionen als tätlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit verurteilt, auch unter den ursprünglichen SympathisantInnen gibt es inzwischen kritische Stimmen.

Konnten die Glitzerattacken aufgrund ihrer ungewöhnlichen und irritierenden Erscheinungsform anfangs noch als „Tactical frivolity“ betrachtet werden, wirken manche dieser Aktionen eher aggressiv als humorvoll – was ja auch bereits im Wort „bombing“ mitschwingt. Kein Wunder, dass sich inzwischen auch der Secret Service mit diesem Phänomen befasst.

Zweischneidige Taktik

Guerilla Campaigning birgt eben auch ein hohes Risiko in sich. Wird eine Aktionsform als unangemessen, unfair oder bedrohlich betrachtet, kann sie das Gegenteil von dem bewirken, was beabsichtigt wurde. Ob das „Glitter bombing“ letztlich dem damit verbundenen Anliegen dient, ist – insbesondere, wenn es sich nicht in einer leichtere, humorvollere Richtung weiterentwickelt – eher fraglich. Aus medientechnischer Sicht ist es dennoch als erstaunlich wirksame Taktik zu betrachten, mit der es Einzelpersonen ohne nennenswerten Aufwand gelingt, ihren Protest in die Abendnachrichten zu bringen.

Ein zweischneidiges Schwert bleibt Guerilla Campaigning aber letztlich immer, schließlich bewegt es sich oft nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich auf dünnem Eis. So wird sich noch zeigen, ob dem „Glitter bombing“ bald mit rechtlichen Mitteln begegnet wird. Nach manchen Einschätzungen könnte ein derartiger Übergriff mit bis zu sechs Monaten Gefängnis geahndet werden. Bislang ist noch kein Vorfall dokumentiert, in dem es zu einer Verurteilung gekommen wäre – doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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1 Rückmeldung zu “Strategy Sunday: Guerilla Campaigning”

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  1. [...] (wie z. B. letztens bei einem Fundraising-Event Mitt Romneys beim US-Milliardär David Koch) oder Guerilla Campaigning-Aktivitäten wie „Chicken George“ (ein Klassiker aus dem Bush-Clinton-Wahlkampf 1992) sind typische [...]


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