Strategy Sunday: Winning Coalitions

Wer bei einer US-Präsidentschaftswahl die Mehrheit der Bevölkerung – oder besser: die Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden Menschen – gewinnen will, muss die Kunst beherrschen, eine „winning coalition“ aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu bilden, die weit über die AnhängerInnen (s)eines politischen Lagers hinausgeht. Die Obama-Kampagne ist ein gutes Beispiel dafür …

Zum Einstieg eine kleine Quizfrage: Wenn ein Kandidat in einer Bevölkerungsgruppe, die bei einer Wahl drei Viertel aller abgegebenen Stimmen stellt, über zehn Prozentpunkte hinter seinem Gegenkandidaten liegt, kann er diese Wahl dann noch für sich entscheiden? Die Antwort lautet: Yes, he can.

Das obige Beispiel ist alles andere als abstrakt. 2008 stellten weiße WählerInnen etwa 65,8 % der US-Bevölkerung und (aufgrund ihrer höheren Wahlbeteiligung) rund 76,3 % aller abgegebenen Stimmen bei der US-Präsidentschaftswahl. Exit Polls zeigten damals, dass John McCain diese WählerInnengruppe mit 55 % (gegenüber 43 % für Obama) gewinnen konnte. Doch dieses Manko kompensierte Obama, indem er bei nicht-weißen WählerInnen erdrutschartig gewann: Rund 95 % der afro-amerikanischen WählerInnen und 67 % der Hispanics gaben ihm ihre Stimme (bei einer gleichzeitig gestiegenen Wahlbeteiligung in diesen Gruppen).

Obamas „winning coalition“ 2008 …

Die Basis von Obamas „winning coalition“ bestand damals also aus nicht-weißen WählerInnen – die allerdings zahlenmäßig zu wenige gewesen wären, um ihm den Einzug ins Weiße Haus zu sichern. Er brauchte daher noch andere Gruppen, um sicherzustellen, dass sein Rückstand auf McCain bei der weißen „Mehrheitsbevölkerung“ nicht uneinholbar wurde. Diese Gruppen waren 2008 v. a. jüngere WählerInnen, besser Gebildete sowie Frauen (wobei es ihm allerdings nicht gelang, eine Mehrheit der weißen Wählerinnen zu gewinnen). Gemeinsam stellten diese Gruppen sicher, dass Obama seine Stärke bei den (traditionell zu den Demokraten neigenden) Minderheiten erfolgreich ausspielen konnte.

… und 2012.

Das Wissen um diese „winning coalition“ prägt auch seine Wahlkampfstrategie in diesem Jahr. Bemerkenswert (und für österreichische Verhältnisse nur schwer nachvollziehbar) ist dabei die Tatsache, dass Obama nicht darauf abzielen dürfte, die Mehrheit der „white working class“ für sich zu gewinnen. Hier geht es für den Amtsinhaber eher darum, nicht zu stark zu verlieren, denn in diesem WählerInnensegment verlieren die Demokraten bereits seit längerer Zeit an Rückhalt. Bei den midterm elections 2010 wählten zwei Drittel der weißen ArbeiterInnen republikanisch – sollte das auch Mitt Romney gelingen, wäre er der nächste US-Präsident. Deshalb arbeitet das Obama-Camp daran, Romney als kaltblütigen Finanzhai und Killer heimischer Jobs zu skizzieren.

Spots wie diese sollen nicht dafür sorgen, dass „Joe, the Plumber“ im November begeistert Obama wählt, sondern damit er bei dieser Wahl zuhause bleibt.

Die Zeiten, in denen die Demokraten eine Mehrheit im Segment der „white working class“ als unverzichtbar für einen Wahlerfolg betrachteten, dürften endgültig Geschichte sein. Das zeigt auch ein sehr lesenswertes Memorandum von Stanley Greenberg and James Carville, laut dem Obamas „winning coalition“ in diesem Jahr aus …

  • Jüngeren,
  • Hispanics,
  • unverheirateten Frauen und
  • wohlhabenden VorstädterInnen

… bestehen dürfte. Das Kampagnen-Camp des US-Präsidenten dürfte dieses Dossier gelesen haben – jedenfalls ist es sichtlich darum bemüht, diese WählerInnengruppen anzusprechen.

So sind die wohlhabenden VorstädterInnen sehr empfänglich für Obamas beständigen „middle class“-Botschaften. Mit gesellschaftspolitischen „wedge issues“ wie der „same-sex marriage“ und zielgruppenspezifischen Themen wie der Verringerung von Studienkosten (die er konsequenterweise gleich jugendgerecht vermarktete), versucht der Amtsinhaber wiederum jüngere WählerInnen zu gewinnen. Bei den Hispanics punktet er mit seiner Einwanderungspolitik und bei unverheirateten Frauen mit seiner Haltung zu Themen wie Verhütung und Abtreibung, aber auch mit seinem Eintreten für Lohngerechtigkeit, wie z. B. dieser aktuelle Spot zeigt:

Wenn diese Bemühungen greifen, hat Obama in Verbindung mit der demografischen Entwicklung (der Anteil der weißen Wahlberechtigten wird heuer um etwa 2 % niedriger liegen als 2008 – was wahlarithmetisch betrachtet einer Verschiebung von rund 4 % zugunsten der nicht-weißen WählerInnen entspricht) gute Karten, auch 2012 eine Koalition zu formen, die den Namen „winning coalition“ verdient.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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2 Rückmeldungen zu “Strategy Sunday: Winning Coalitions”

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  1. [...] – und sowohl die Gewerkschaft als auch die Latino Community gehört zu seiner Winning Coalition. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Obama, wie unser heutiger Pick of The Week berichtet, einen [...]

  2. [...] in Richtung dieser Zielgruppe setzen – sonst läuft er Gefahr, eine tragende Säule seiner winning coalition zu [...]


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