Strategy Sunday: Showtime

In etwas mehr als einer Woche geht es richtig los: Der am 27. August beginnende Parteikonvent der Republikaner wird Mitt Romney offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der GOP nominieren und damit die heiße Phase des US-Wahlkampfs einläuten. In der Woche danach steht die Democratic National Convention auf dem Programm. Grund genug, sich schon ein wenig auf die beiden größten Events des Wahlkampfs einzustimmen.

Was die Opening Ceremony für die Olympischen Spiele ist, sind die National Conventions für die Präsidentschaftswahlen in den USA. Formell werden auf diesen landesweiten Parteiversammlungen die PräsidentschaftskandidatInnen gekürt – es ist jedoch schon lange nicht mehr so, dass diese erst dort bestimmt werden. Die letzte offene Wahl im Rahmen einer „brokered convention“ lieferten sich die Demokraten 1952 (und brachten Adlai E. Stevenson damit nicht in Weiße Haus). In den Folgejahren stand der Präsidentschaftskandidat der jeweiligen Partei – trotz einiger knapper Vorwahlen (wie jene 2008 zwischen Barack Obama und Hillary Clinton) – immer schon vor der jeweiligen Convention fest.

Der Job der Delegierten auf den National Conventions besteht also bloß noch darin, die Entscheidung der Vorwahlen nachvollziehen – und für eine stimmungsvolle Kulisse zu sorgen, mit der die jeweilige Partei ihre Einigkeit demonstriert. Der Trend zur kampagnentauglichen Inszenierung ist vor allem den Medien geschuldet. Da die klassischen Parteitage durch sinkende Einschaltquoten Gefahr liefen, in den Teufelskreis der medialen Bedeutungslosigkeit zu geraten, wurden die Conventions seit den 1970er-Jahren immer stärker zu TV-gerechten Zeremonien umgestaltet. Die Choreografie zielt dabei weitaus stärker auf die Zuschauer vor den Bildschirmen ab als auf die Delegierten vor Ort. Den Grundrhythmus gibt die abendliche prime time der landesweiten TV-Stationen vor, für deren Live-Berichte die prominentesten RednerInnen reserviert werden. Seit 1972 ist die Rede der (potenziellen) first lady ein fixer Bestandteil des Programms, der vorletzte Abend gehört dem Vizepräsidentschaftskandidaten und am letzten Abend findet der große Auftritt des Präsidentschaftskandidaten statt.

Hollywood lässt grüßen

Dessen Rede, mit der er laut Protokoll seine Nominierung akzeptiert, ist der traditionelle Höhepunkt jeder Convention – und wird entsprechend aufwendig inszeniert. Die acceptance speech von Barack Obama 2008 fand (im Rahmen einer als „open convention“ breit eingeladenen Abschlussveranstaltung) in einem Football-Stadion vor nicht weniger als 84.000 Menschen statt. Hier ein Video davon:

Nach Reden wieder dieser folgt nur noch der traditionelle (und sehr telegene) baloon drop – ein Regen aus Luftballons und Konfettis, der auf open air-Events wie dem obigen von einem Feuerwerk begleitet wird. Eine solche Show geht natürlich ins Geld: Über 18 Millionen US-Dollar bekommen sowohl die Demokraten als auch die Republikaner an öffentlichen Geldern für ihre Conventions zur Verfügung gestellt (zusätzliche Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit noch nicht eingerechnet).

Die 2008 von der Obama-Kampagne praktizierte Strategie, möglichst viele Leute an diesem Ereignis persönlich teilhaben zu lassen, ist übrigens durchaus schlüssig – nicht nur wegen der fotogenen Kulisse. Großveranstaltungen sind zwar teuer, bauen unter den TeilnehmerInnen aber eine stärkere Bindung zum/zur KandidatIn auf als die meisten anderen Formen der Kommunikation. (In Österreich wird dieses Instrument am konsequentesten von der FPÖ eingesetzt, die damit auch der – vollkommen zu Recht – kritischen Medienberichterstattung entgegenwirkt.)

Zur richtigen Zeit …

Doch bleiben wir besser in den USA: Die Republikaner veranstalten ihren Parteitag dieses Jahr vom 27. bis zum 30. August in Tampa, Florida, während jener der Demokraten vom 3. bis zum 6. September in Charlotte, North Carolina, stattfindet. Sowohl das Veranstaltungsdatum als auch der Ort sind dabei alles andere als ein Zufall.

Prinzipiell ergibt sich der Zeitpunkt der Conventions aus dem Wahlkalender. Klarerweise müssen die Parteien die letzten Vorwahlen im Juni abwarten, um zu tagen – denn erst dann stehen alle Delegierten fest. Um danach genug Zeit für die aufwändigen Vorbereitungen der perfekt orchestrierten Veranstaltungen zu haben (aber auch, um im Fall knapper Vorwahlentscheidungen einen Konsens innerhalb der Partei herstellen zu können) sind Termine vor dem Juli kaum machbar. Darüber hinaus ist es klug, ausreichend Zeit für die Auswahl und Präsentation eines/einer VizepräsidentschaftskandidatIn vorzusehen, weshalb eine Convention vor den (im gleichen Rhythmus wie die US-Wahlen stattfindenden) Olympischen Spielen heutzutage kaum in Frage kommt. Womit wir beim Stichwort Olympics wären: Um während dieses sportlichen Großereignisses nicht um die Aufmerksamkeit der TV-ZuschauerInnen rittern zu müssen, finden in dieser Zeit keine Parteitage statt – was sehr für einen Termin ab Mitte August spricht.

Ein Beleg für den Einfluss der Olympischen Spiele ist das Drehbuch der Romney-Kampagne, die Vizepräsidentschaftskandidaten Paul Ryan am letzten Tag der Wettkämpfe präsentiert hat, um zumindest bis zu ihrer Convention zwei Wochen lang die Hauptrolle auf der Wahlkampfbühne einzunehmen – und damit Momentum aufzubauen. Während sich noch zeigen muss, wie erfolgreich dieses Timing ist, wird im Tampa Bay Times Forum jedenfalls intensiv daran gearbeitet, den Herausforderern von Barack Obama eine ordentliche Bühne zu bieten:

Die eine Woche nach den Republikanern anberaumte Parteiversammlung der Demokraten soll der (finale) Wellenbrecher für die zu erwartende Medienoffensive von Mitt Romney und Paul Ryan sein. Obwohl es keine formellen Vereinbarungen oder gar gesetzlichen Regeln dafür gibt, hält die Partei des Amtsinhabers seit dem Jahr 1956 ihre Convention als zweite ab. Doch auch hier gibt es Limits: Der spätestmögliche Zeitpunkt für die formelle Nominierung eines Präsidentschaftskandidaten ist – aufgrund verschiedener bundesstaatlicher Wahlordnungen – Mitte September. Und dieses Limit auszureizen macht wenig Sinn, da Anfang September die NFL-Saison beginnt, was Publikumsaufmerksamkeit kostet. Tatsächlich muss Joe Biden mit seiner Rede am 5. September gegen das NFL-Eröffnungsspiel der New York Giants – Vorjahressieger der Super Bowl – antreten. Kritische Beobachter betrachten das als Regiefehler, wohlmeinende Strategen hingegen als Kalkül …

… am richtigen Ort.

Sicher kein Regiefehler ist hingegen der Umstand, dass die Republikaner ihre diesjährige Convention in Florida abhalten. Mitt Romney muss in diesem bedeutsamen battleground state unbedingt gewinnen, um ins Weiße Haus einzuziehen. Dementsprechend wirft sich die GOP in diesem Bundesstaat ziemlich ins Zeug – durchaus mit Aussicht auf Erfolg.

Etwas ungewöhnlicher ist im Vergleich dazu die Wahl des Veranstaltungsort der demokratischen Convention, denn im Südstaat North Carolina wäre ein Erfolg der Republikaner keine Überraschung. Barack Obama war zwar bei den letzten Wahlen der erste demokratische Präsidentschaftskandidat seit 1976, der diesen Bundesstaat gewinnen konnte – allerdings nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,33 %. Sollte es ihm jedoch gelingen, die 15 Wahlmänner dieses Bundesstaats erneut zu holen, stehen seine Chancen für eine zweite Amtszeit nicht schlecht.

Die Stunde der HoffnungsträgerInnen

Abseits all dieser taktischen Facetten: Wer den Conventions folgt, lernt das Who is Who – und vor allem auch die Hopefuls – der jeweiligen Partei kennen. Bei den Republikanern werden heuer wenig überraschend Marco Rubio und Chris Christie zentrale Rollen einnehmen. Auch von Julián Castro, dem 37-jährigen Bürgermeister von San Antonio, Texas, dürften wir in Zukunft wohl noch hören. Der aufstrebende Post-Hispanic Hispanic Politician wird die keynote address auf der diesjährigen demokratischen Convention halten. 2004 hat diese Rede ein Kandidat für einen Senatorensitz aus Illinois gehalten. Sein Name war Barack Obama. Hier die Rede zum Nachsehen (die bekannteste Passage beginnt bei 13:05):

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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3 Rückmeldungen zu “Strategy Sunday: Showtime”

  1. Paul Aigner sagt:

    ich find ja ab 11:55 so hymnisch schön solidarisch.

Trackbacks / Pingbacks

  1. [...] OrganisatorInnen des diesjährigen republikanischen Parteikonvents sind nicht zu beneiden. Zum Einen könnte ihnen der tropische Sturm „Isaac“ – so wie schon [...]

  2. [...] wirken als der US-Präsident. Wie schon bei seiner acceptance speech im Rahmen des demokratischen Parteikonvents vermied Obama große Töne – kam damit aber eher müde als besonnen über den Bildschirm. [...]


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