Strategy Sunday: Hispanics

Ich habe es bislang vermieden, in diesem US-Wahlkampf Prognosen abzugeben – denn was heute logisch klingt, wird oft morgen schon von der Wirklichkeit widerlegt. Doch wenn ich eine Wette abgeben müsste, dann würde ich darauf tippen, dass US-Präsident Obama in der kommenden TV-Debatte eine klare Ansage in Richtung Latinos und Hispanics machen wird. Tut er das nicht, würde er seinen Wiederwahlbemühungen einen schlechten Dienst erweisen.

Nachdem Mitt Romney in den Umfragen zuletzt deutlich aufgeholt hat (laut Nate Silvers Blog liegt die Wahrscheinlichkeit eines Romney-Wahlerfolgs bereits Nahe an der 40-Prozent-Marke), dürfte sich Barack Obama Medienberichten zufolge wohl deutlich gewissenhafter auf die bevorstehende TV-Konfrontation vorbereiten als zuletzt. Dabei sollte er meiner Meinung nach auch den einen oder anderen sound bite zur Mobilisierung von Latinos und Hispanics einstudieren – denn diese Gruppe dürfte wahlentscheidend werden.

Schließlich verfügt der Amtsinhaber allen Umfragen zufolge in dieser wichtigen WählerInnengruppe über einen mehr als soliden Vorsprung (im Bereich von über zwei Drittel der Wahlberechtigten) – doch deren Bereitschaft, sich in diesem Jahr an der Wahl zu beteiligen, ist deutlich niedriger als noch 2008 (und liegt generell unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung). Umso verwunderlicher ist, dass Obama diese Gruppe im ersten Fernsehduell nicht direkt angesprochen hat.

Latinos oder Hispanics?

Vorweg ein wenig Begriffsklärung: Die Bezeichnungen Latinos und Hispanics werden (auch in den USA) oft synonym verwendet, beziehen sich aber nicht auf die selben Bevölkerungsgruppen. Mit Latinos sind jene US-EinwohnerInnen gemeint, die bzw. deren Vorfahren aus Mittel- und Südamerika (also „Lateinamerika“) eingewandert sind. Dementsprechend gibt es auch Latinos, deren Muttersprache portugiesisch ist, während US-AmerikanerInnen, deren Vorfahren im Zuge der Kolonialisierung des Kontinents aus Spanien einwanderten (und z. B. an der Gründung Floridas beteiligt waren), definitionsgemäß keine Latinos sind. Diese Gruppe wird vielmehr durch den Begriff Hispanics abgedeckt, der erst in den 1970er-Jahren im politischen Sprachgebrauch der USA üblich wurde und alle EinwohnerInnen umfasst, die spanischer oder hispanoamerikanischer Herkunft sind – also aus jenen Ländern stammen, in denen mehrheitlich spanisch gesprochen wird.

Wachsender Einfluss

Die inzwischen über 50 Millionen Hispanics und Latinos bilden nicht nur die größte Minderheit in den USA, sie sind auch die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe. Waren bei der US-Volkzählung im Jahr 2000 noch 12,5 % der US-Bevölkerung Hispanics oder Latinos, wurden 2010 bereits 16,3 % der Bevölkerung dieser Gruppe zugerechnet. Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn bereits ein Viertel der US-AmerikanerInnen unter 18 ist, richtig geraten, Latino oder Hispanic. Einflussreich macht diese Gruppe auch die Tatsache, dass sie in großen US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas oder Florida einen überdurchschnittlichen Bevölkerungsanteil einnimmt und in einigen der wahlentscheidenden swing states das „Zünglein an der Waage“ ist.

DREAM? Act!

Dieser Einfluss zeigt sich nicht zuletzt in der Migrationspolitik. So ist die Frage der Legalisierung undokumentierter EinwandererInnen nicht erst bei dieser Wahl ein Schlüsselthema für die Latinos, von denen immerhin mehr als die Hälfte mexikanische Wurzeln haben – und in deren Familien es fast immer Bekannte oder Verwandte gibt, die unmittelbar vom Immigrationsrecht betroffen ist.

Erst im Juni diese Jahres konnte Obama in dieser WählerInnengruppe damit punkten, dass er EinwandererInnen, die als Kinder oder Jugendliche illegal in die USA gekommen waren, unter bestimmten Kriterien ein Bleiberecht einräumte. Der US-Präsident schuf mit seiner Verordnung einen vorübergehenden Ersatz für den sogenannten DREAM Act, der entsprechende Regeln zum Bundesgesetz erheben würde, aber bislang am Widerstand der Republikaner gescheitert ist.

Romney wiederum musste im Zuge der republikanischen Vorwahlen eine eher strikte Position in punkto Legalisierung von EinwandererInnen einnehmen – die er aber seit seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner eindeutig abgeschwächt hat.

¿Habla español?

Das Bemühen um die Stimmen der Latinos und Hispanics ist allerdings nicht nur mit bestimmten Themen verbunden. So ist im Kampf um hispano-amerikanische WählerInnenstimmen z. B. spanischsprachige Wahlwerbung heute absolut üblich. Entsprechende TV-Spots in swing states mit starkem Latino-Anteil sowie die entsprechende Kampagnenseiten von Obama und Romney gehören inzwischen zum Standardprogramm jedes Kandidaten.

Während es bei uns schon Schlagzeilen wert ist, wenn der Bundespräsident drei Wörter in slowenischer Sprache spricht, überrascht es in den USA niemanden, wenn das Staatsoberhaupt eine gewichtige Minderheit in ihrer Sprache anspricht:

Das Obama-Camp investiert deutlich mehr in spanischsprachige Werbung als sein Herausforderer, doch auch Mitt Romney bemüht sich redlich um die Stimmen der Latinos und Hispanics – wahrscheinlich sogar mehr als jeder republikanische Präsidentschaftskandidat vor ihm. Dabei kommt ihm zugute, das auch für diese WählerInnengruppe der Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung der USA die wichtigsten politischen Themen sind. In dieses Horn stoßen auch die prominenten Latinos in den Reihen der Republikaner wie z. B. deren großer Hoffnungsträger Marco Rubio, seines Zeichens Senator für Florida, sowie die republikanische Gouverneurin von New Mexico, Susana Martinez – denen im Rahmen der republikanischen Convention dieses Jahr wichtige Auftritte zugewiesen wurden.

Romneys bester Werbeträger ist meines Erachtens aber sein jüngster Sohn Craig, der fließend Spanisch spricht und damit nicht nur im Rahmen einer eigenen Rede auf der republikanischen Convention, sondern auch in eigenen Werbespots punkten kann:

Mal ehrlich: So spanisch ist Ihnen Mitt Romney noch nie vorgekommen, oder? Sein Sohn Craig spricht in diesem Spot übrigens auch ein Detail an, das hierzulande bislang kaum berichtet wurde, nämlich die Tatsache, dass Mitts Großvater den Großteil seines Lebens in Mexiko verbracht hat und Romneys Vater in Mexiko geboren wurde – weshalb Mitt sogar Anspruch auf eine amerikanisch-mexikanische Doppelstaatsbürgerschaft haben könnte. Richtig ausschlachten kann Romney seine mexican roots allerdings nicht, denn der Haken an dieser Story ist, dass Romneys Vorfahren als Mormonen nach Mexiko auswanderten, weil der Bundesstaat Utah ein Gesetz gegen Polygamie erlassen hatte. Erst die Wirren des mexikanischen Bürgerkriegs bewogen die Familie, zurück in die Vereinigten Staaten zu ziehen.

Doch damit zurück zu den bevorstehenden US-Wahlen. Die Demokraten haben generell eine deutliche Mehrheit der Latinos und Hispanics auf ihrer Seite – doch die müssen sie erst einmal zu den Wahlurnen bringen. Wenn Mitt Romney in den letzten Umfragen aufholt, dann liegt das auch an der schwindenden Motivation dieser WählerInnengruppe. Meines Erachtens muss Barack Obama daher bei der bevorstehenden TV-Debatte ein klares Signal in Richtung dieser Zielgruppe setzen – sonst läuft er Gefahr, eine tragende Säule seiner winning coalition zu verlieren.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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1 Rückmeldung zu “Strategy Sunday: Hispanics”

  1. Ein kleiner Nachtrag zu diesem Thema: Mitt Romney versucht durch TV-Spots mit der republikanischen Latino-Zukunftshoffnung Marco Rubio Sympathien bei den Latinos zu gewinnen – siehe: http://wapo.st/QIJLnl – während das Obama-Camp darum bemüht sein dürfte, diese Anstrengungen zu unterminieren – siehe http://wapo.st/OP0CGt

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