Strategy Sunday: Reden

Wenn wir die Reden hören, die Barack Obama und Mitt Romney in diesem Wahlkampf halten, achten wir vor allem auf die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten. Dabei haben ihre Reden – bei allen politischen Differenzen – etwas gemeinsam: die Rhetorik.

Zwei große Ansprachen haben die Redenschreiber der beiden Kandidaten in diesem Wahljahr noch auf ihrer ToDo-Liste – doch nur eine davon werden wir am Wahlabend zu hören bekommen.

Zuerst, so verlangt es die Tradition, wird der Verlierer seine concession speech halten und den Schwanengesang auf seine verlorene Kampagne anstimmen. Er wird dabei seinen UnterstützerInnen, ganz besonders seiner Familie und natürlich auch den WählerInnen danken. Er wird darauf hinweisen, dass seine Kampagne trotz der Niederlage einige bemerkenswerte Erfolge erzielen konnte und die Bedeutung der von ihm angesprochenen Themen unterstreichen. Und er wird dem Gewinner zu dessen Wahlerfolg gratulieren und ihm alles Gute für die bevorstehende Amtszeit wünschen.

Danach folgt die acceptance speech des erfolgreichen Kandidaten, die sich – mal ganz abgesehen von der Grundstimmung – an der gleichen Struktur orientiert: Er wird ebenfalls vielen Menschen danken (darunter auch dem Verlierer, der eigentlich ein toller Typ ist), die historische Dimension seines Erfolgs betonen und – alles andere wäre verwunderlich – mit einem „God Bless the United States of America“ enden.

Zur Einstimmung hier die acceptance speech, mit der Barack Obama vor vier Jahren im Grant Park von Chicago zum ersten Mal als President-elect zu den rund 240.000 versammelten Menschen sprach:

Neben seiner keynote adress im Rahmen der Democratic National Convention 2004 – die ihn landesweit bekannt machte – und seiner bemerkenswerten Rede A More Perfect Union im Wahlkampf 2008 dürfte es sich dabei um eine der wichtigsten Reden Obamas gehandelt haben. Wir werden sehen, ob er die Gelegenheit haben wird, diese Liste am 6. November zu ergänzen.

Abhängig vom Anlass (z. B. Wahlsieg, Amtsantritt, State of the Union, Kriegserklärung etc.) gelten in den USA sowohl für den Inhalt, als auch für die Struktur einer Rede bestimmte Traditionen und Konventionen. Eine typische Wahlkampfrede sieht z. B. so aus:

Gut strukturiert

Es gibt natürlich unzählige Möglichkeiten, eine solche Rede aufzubauen. Diese hier folgt den Prinzipien von Monroe’s Motivated Sequence (MMS), einer sehr populären Redestruktur, die – bewusst oder unbewusst – bei vielen politischen Reden (nicht nur in den USA) zum Einsatz kommt. MMS besteht aus fünf Bausteinen:

  • Attention: Zuerst muss man die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnen – denn ein Publikum, das nicht zuhört, kann von nichts überzeugt werden. Eine bewährte Methode dafür ist z. B. das Erzählen einer sehr persönlichen Geschichte. (Dieser Teil und die gesamte die Begrüßung fehlen in der obigen Sequenz.)
  • Need (Problem): Hat man die Aufmerksamkeit des Publikums, kann damit begonnen werden, ein Problem darzustellen bzw. einen Handlungsbedarf aufzuzeigen. Entscheidend dabei ist, eine Verbindung zwischen dem Problem und dem Publikum – also eine gewisse Form von Betroffenheit – herstellen zu können.
  • Satisfaction (Solution): Erst wenn das Problembewusstsein geschaffen wurde, kann die Lösung dafür präsentiert werden. Dabei geht es aber nicht bloß darum, die Lösung beim Namen zu nennen, sie muss auch entsprechend plausibel und machbar dargestellt werden.
  • Visualization: Es genügt aber noch nicht, die Lösung zu präsentieren. Entscheidend ist, den ZuhörerInnen sichtbar zu machen, wie sich diese Lösung positiv auf ihr Leben auswirken wird.
  • Action: Am Ende werden die ZuhörerInnen dann zu einer Handlung aufgefordert.

Tu felix austria … übe

In Österreich hat die politische Rede leider nicht den Stellenwert, den sie verdienen würde. Das ist schade, denn sie ist – nicht nur im Parlament – eine Kerndisziplin der Politik. Gute Reden wirken weit über die sound bites hinaus, die es in die Medien schaffen, denn sie werden zu einem persönlichen Erlebnis der ZuhörerInnen, können Menschen wirklich berühren und sie damit für ein Anliegen und/oder eine/n KandidatIn begeistern.

Dennoch wird hierzulande weder der Formulierung noch der Präsentation von Reden ein sonderlich hoher Stellenwert eingeräumt. Viele PolitikerInnen überlassen das Schreiben von Reden ihren Presseleuten, nicht wenige SpitzenfunktionärInnen formulieren ihre Reden sogar im Alleingang – schließlich haben sie viele Jahre Übung und ein paar Seminare in einer Parteiakademie hinter sich. Echte Profis kümmern sich in Österreich aber nur in den seltensten Fällen um das Verfassen von Reden.

Auch bewährte Hilfsmittel wie den Teleprompter hat man in hiesigen Kampagnen bislang so gut wie nie gesehen. Dabei ist dieser elektronische Souffleur – wenn man damit umgehen kann – ungemein nützlich, weil sich der/die Redner/in stärker darauf konzentrieren kann, die Inhalte wirkungsvoll zu präsentieren. Sonderlich neu ist diese Technologie jedenfalls nicht, in den USA kommt sie bereits seit den 1950er-Jahren bei politischen Reden zum Einsatz. Mit Ausnahme von Richard Nixon hat jeder US-Präsident seit Eisenhower eine Form von Teleprompter verwendet.

Obamas zwei Geheimnisse

Obamas Ruf, ein exzellenter Redner zu sein, beruht auf diesen zwei Faktoren: Zum Einen kann er souverän mit dem Teleprompter umgehen und sich dabei voll seinem Ausdruck widmen (eine Obama-Rede ohne Teleprompter ist hingehen, äh, na ja). Und zum Anderen hat er ausgezeichnete RedenschreiberInnen.

An den Ansprachen des US-Präsidenten feilen ganze Teams rund um Obamas (gerade einmal 31 Jahre jungen) Director of Speechwriting Jon Favreau. Alles andere wäre organisatorisch auch undenkbar, schließlich ist es schon vorgekommen, dass der Amtsinhaber in einem Monat über 50 verschiedene Reden halten muss. Entsprechend eingespielt ist die Redenschmiede rund um den US-Präsidenten. Im Gegensatz dazu dürfte sein Herausforderer Mitt Romney gerne bis zur letzten Minute selbst an seinen Reden basteln, wie manche Medien berichten. Doch auch er beschäftigt in seiner Kampagne zahlreiche RedenschreiberInnen.

Darf es ein bisserl mehr sein?

Ein interessanter Buchtipp in diesem Zusammenhang ist übrigens „The Political Speechwriter’s Companion – A Guide for Writers and Speakers“. Verfasst wurde dieses Buch von Robert Lehrmann, den Yussi Pick im Rahmen der demokratischen Convention interviewt hat.

Lehrman analysiert in diesem Buch sehr systematisch die Techniken und Strategien moderner politischer Reden. Allen, die solche Reden schreiben (oder halten) wollen/müssen, können wir dieses Buch daher nur wärmstens empfehlen …

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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