Autorenarchive | Stefan Bachleitner

Strategy Sunday: No. 2

Die Auswahl eines/einer VizekandidatIn ist eine höchst strategische Angelegenheit. Dementsprechend widmen sowohl die jeweiligen Kampagnen als auch die Medien dieser ersten, richtungsweisenden Entscheidung eines potenziellen Amtsinhabers – in diesem Fall Mitt Romneys – viel Zeit und Aufmerksamkeit.

Die Sauregurkenzeit dieses US-Wahljahres ist angebrochen – die Phase zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Präsidentschaftskandidaten praktisch feststehen und den großen Conventions, die den Intensivwahlkampf einläuten.

Es sind noch rund 100 Tage bis zur GOP Convention in Tampa (Florida) und der Democratic Convention in Charlotte (North Carolina) eine Woche danach. 100 Tage, in denen nur wenige große Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen. Die einzige große Ausnahme ist die Frage, wer VizepräsidentschaftskandidatIn wird – sehr zur Freude der Politikberichterstattung, die sich nun ausgiebig diesem Auswahlprozess und der Spekulation über die möglichen AnwärterInnen widmen kann.

Balancing the ticket

Der Schlüsselbegriff dabei lautet „ticket balance“, also der Versuch, durch die Person des/der VizekandidatIn gewisse Schwächen der No. 1 auszugleichen, um gemeinsam für möglichst viele WählerInnen attraktiv zu sein. Diese Balance kann höchst unterschiedliche Aspekte betreffen, hier ein paar Beispiele dafür:

  • Geographisch: John F. Kennedy gelang es 1960 mit der Auswahl von Lyndon B. Johnson (in einem insgesamt sehr knappen Rennen) mehrere Südstaaten zu gewinnen, in denen Kennedy alleine wohl kaum gepunktet hätte, darunter vor allem Johnsons Heimatstaat Texas.
  • Ideologisch: Ronald Reagan wählte 1980 seinen größten Herausforderer bei den damaligen Vorwahlen, Georg H. W. Bush, als „running mate“. Der kantige Konservative balancierte mit dem moderateren Bush erfolgreich sein politisches Profil und sendete gleichzeitig ein Zeichen der Einigkeit und Geschlossenheit an seine Partei.
  • Biographisch: Werden einem/einer BewerberIn mangelnde Erfahrungen in der politischen Arena (oder in anderen Bereichen, wie z. B. militärischen Belangen) vorgeworfen, kann diese Schwäche durch die No. 2 ausgeglichen werden. Das beste Beispiel dafür ist George W. Bush, der mit Dick Cheney 2000 einen alten Hasen auf sein Ticket nahm.
  • Demographisch: Auch Faktoren wie Alter, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit sind für die Identifikation großer WählerInnengruppen mit einem KandidatInnenpaket wichtig und können daher die Veep-Auswahl beeinflussen. George H. W. Bush, der über 60 war, als er nach den Reagan-Jahren das Präsidentenamt erobern wollte, entschied sich daher für den deutlich jüngeren Dan Quayle.

Es gibt allerdings auch genug Beispiele dafür, dass die Balance nicht alles ist. Die Kombination Clinton/Gore 1992 war beispielsweise ein äußerst unbalanciertes Ticket: Beide eher jung (Clinton 45, Gore 44), beide aus – sogar benachbarten – Südstaaten (Arkansas und Tennessee), beide mit einem vergleichbaren politischen Profil. Erfolgreich waren die beiden dennoch. Walter Mondale wiederum, der 1984 mit Geraldine Ferraro die erste Frau als Vizepräsidentschaftskandidatin einer Großpartei auswählte, gewann nicht einmal die Mehrheit der Frauenstimmen und verlor in 49 von 50 Bundesstaaten gegen den damaligen Amtsinhaber Reagan.

Die Palin-Lektion

Auch wenn es gute Gründe gibt, den regelmäßig wiederkehrenden Hype um den „Vice Presidential Pick“ für überbewertet zu halten: In einem knappen Wahljahr wie diesem kann eine gute – und noch viel mehr eine schlechte – Entscheidung Mitt Romneys ausschlaggebend dafür sein, wer am 6. November die Nase vorne hat.

Den Republikanern steckt dabei noch die Erfahrung der vergangenen Präsidentschaftswahl in den Knochen. Im ersten Moment sah es so aus, als hätte John McCain mit der überraschenden (und nicht ganz freiwilligen) Nominierung Sarah Palins ein perfekt balanciertes Ticket präsentiert – mit dem er jene Frauen ansprechen konnte, die lieber Hillary Clinton statt Barack Obama als Kandidatin der Demokraten gehabt hätten. Zum ersten und einzigen Mal kam er damals in den Umfragen knapp an den späteren Gewinner heran. Doch wenige Wochen danach hatte Palin aufgrund ihrer außenpolitischen Inkompetenz und antifeministischen Aussagen die Chance vertan, McCains Kampagne den entscheidenden Boost zu verleihen.

Zurückgeführt wurde dieses Desaster auf die überhastete Auswahl Palins, deren Nominierung als „high risk“-Kandidatin von manchen Wahlbeobachtern heute als verzweifelter Hail Mary-Pass bezeichnet wird.

Darum prüfe, wer sich ewig bindet …

Die Romney-Kampagne ist offensichtlich darum bemüht, diesen Fehler nicht zu wiederholen und hat bereits mit dem ausführlichen „vetting“ der potenziellen VP-KandidatInnen begonnen. Diese werden von einem Spezialteam unter der Leitung von Beth Myers auf Herz und Nieren geprüft. Ein Prozess, der alles andere als angenehm ist („wie eine Darmspiegelung ohne Schmerzmittel“ beschrieb es mal jemand aus dem Lager der Demokraten) und in seiner Intensität auch über das hinausgeht, was ein/r PräsidentschaftskandidatIn über sich ergehen lassen muss.

Jedes noch so kleine Detail, politisch wie auch privat, aus dem Leben der potenziellen KandidatInnen wird dabei durchleuchtet – von ihren Steuererklärungen bis hin zu den Artikel, die sie seinerzeit in Schülerzeitungen veröffentlicht haben. Stundenlang werden sie und ihre Angehörigen (darunter auch ehemalige Verlobte und Ex-GattInnen) eingehenden Interviews mit teilweise höchst intimen Fragen unterzogen. Schließlich soll die erste „presidential style“-Entscheidung Mitt Romneys keine Fehlentscheidung werden.

Mitt Romney wird sich viel Zeit für diese Entscheidung nehmen – alleine schon deshalb, weil seine Kampagne die Aufmerksamkeit für diesen Prozess dazu nützen kann, die Berichterstattung im (kurzen) Sommerloch des US-Wahljahres zu dominieren. Die Spekulationen haben jedenfalls bereits begonnen und wir können gespannt sein, ob Marco Rubio, Rob Portman, Paul Ryan oder doch ein/e ganz andere KandidatIn gemeinsam mit Romney von den Wahlbuttons lächeln wird.

Dabei stehen die AnwärterInnen vor der schwierigen Entscheidung, ob sie ihre politische Karriere an Romneys Präsidentschaftsambitionen knüpfen wollen. Denn sollten sie als VP-KandidatIn an einer erfolglosen Kampagne beteiligt sein, bekommen sie ein Loser-Image verpasst und haben damit schlechte Chancen, in vier Jahren – wenn Obama nicht mehr antreten kann – das Präsidentenamt zu erobern. Sollte Romneys Kampagne hingegen erfolgreich sein, steht sein/e Vize in der ersten Reihe für dessen Nachfolge. Auch bei dieser Entscheidung geht es also letztlich um den ersten Platz …

P.S.: Die Republikaner scheinen diesmal in Sachen Vizepräsidentschaftskandidatur nichts anbrennen lassen zu wollen, was auch durch den Umstand belegt wird, dass sie nicht nur Obama, sondern auch dessen Vize Joe Biden verstärkt attackieren. Eine ungewöhnliche Strategie, deren Wirksamkeit sich noch zeigen wird müssen … [Nachtrag vom 28. Mai 2012]

Posted in Allgemein, Strategy Sunday1 Kommentar

Video Wednesday: Romney Economics

Unseren heutigen „Video Wednesday“ widmen wir der neuesten „attack ad“ aus dem Obama-Camp. Ein sehr emotionaler Clip, der Mitt Romney als kaltherzigen Jobvernichter darstellt.

Seit vielen Monaten redet sich Mitt Romney den Mund fusselig, um seine Partei, die Medien und die WählerInnen davon zu überzeugen, dass die Wirtschaft das wichtigste Thema dieser Präsidentschaftswahl ist. Die schwächelnde US-Wirtschaft bietet Romney unzählige Möglichkeiten, den Amtsinhaber zu kritisieren. Schließlich kann er auf seine Erfolge als Geschäftsmann verweisen, was ihm in dieser wichtigen Frage eine höhere Glaubwürdigkeit verleiht als Obama.

Die Obama-Kampagne zeigt sich nun entschlossen, diese vermeintliche Stärke Mitt Romneys frontal zu attackieren. Dafür hat sie sich einen besonders sensiblen Punkt ausgesucht: den Abbau von Jobs. Der sehr emotionale Clip, den wir heute zeigen, wurde Anfang dieser Woche veröffentlicht und illustriert am Beispiel der Stahlfirma GST Steel, wie gnadenlos Bain Capital, die Investmentfirma Romneys, Arbeitsplätze vernichtet hat.

Zeitgleich zu diesem Video wurde auch die Website RomneyEconomics.com gestartet, die weitere Fakten zum „business record“ des designierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten präsentiert. Die Obama-Kampagne bemühte sich dabei offensichtlich darum, die Kritik an Romneys Geschäftspraktiken so zu formulieren, dass sie nicht als prinzipielle Kritik am Kapitalismus verstanden werden kann – denn Wirtschaftsfeindlichkeit gehört sicher zu den letzten Dingen, die sich der US-Präsident in einem Wahljahr mit hoher Arbeitslosigkeit vorwerfen lassen möchte.

Sein Glück ist, dass es im Zuge der republikanischen Vorwahlen bereits viel Kritik an dem von Romney praktizierten „Aasgeier-Kapitalismus“ gab. Angesichts entsprechender Aussagen von Newt Gingrich bis Rick Perry wird es den Republikanern daher nicht leicht fallen, diesen Angriff des Obama-Lagers ins linke Eck zu rücken.

Die Offensive in Sachen „Romney Economics“ ist mehr als ein Testballon, was auch die Tatsache belegt, dass der Film nicht nur für das Web gedreht wurde. Es gibt eine sechsminütige Version davon, für die TV-Werbeflächen in Iowa, Ohio, Pennsylvania, Virgina und Colorado gebucht wurden, wo man sich offensichtlich die größte Wirkung davon erwartet. Dabei dürfte es aber nicht nur darum gehen, die Wirtschaftskompetenz Romneys anzukratzen, vielmehr zielt das Video auch darauf ab, sich die organisatorische Unterstützung von mobilisierungsstarken Gewerkschaften wie z. B. den United Steelworkers zu sichern, die immerhin tausende WahlhelferInnen stellen können.

Der Angriff auf die Stärke des Gegenspielers ist übrigens eine weitere Parallele des Obama-Wahlkampfs mit der Wiederwahlkampagne von George W. Bush. Diese nahm dem hochdekorierten Vietnam-Helden John Kerry mittels Swiftboating seinen Glaubwürdigkeitsvorsprung in militärischen Fragen – und ebnete damit das Spielfeld für den Amtsinhaber in der wichtigen Debatte um die nationale Sicherheit.

Posted in Barack Obama, Feature, Mitt Romney, Video Wednesday, Videos1 Kommentar

Strategy Sunday: Wie Bush, nur andersrum

Die Medien bezeichneten es als ersten Paukenschlag im diesjährigen US-Wahlkampf: Am Mittwoch dieser Woche erklärte Barack Obama in einem Fernsehinterview, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten können sollten. Ein überraschender Schritt, der dieses Thema plötzlich in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rückt. Das Interessante daran: Die Strategie dahinter könnte sich Obama von der Wiederwahlkampagne George W. Bushs abgeschaut haben.

Ein einziger Satz kann in der Politik viel bedeuten – vor allem, wenn er zum ersten Mal von einem US-Präsidenten gesprochen wird: „At a certain point I’ve just concluded that for me, personally, it is important for me to go ahead and affirm that I think same-sex couples should be able to get married.“ (Wie in diesem Beitrag zu sehen ist, nimmt Obama einen langen argumentativen Anlauf, um diesen entscheidenden Satz zu sagen.)

Das mediale Echo war enorm, denn der US-Präsident nimmt damit – in einer sehr emotionalen Frage – eine Position ein, die den Gegensatz zu seinem Herausforderer Mitt Romney deutlich unterstreicht. Bereits im März habe ich in einem etwas ausführlicheren Blogbeitrag erläutert, warum die „same-sex marriage“ ein derartiges Schlüsselthema ist. Mit Obamas neuer Linie gewinnt es als Wahlkampfthema nun zusätzlich an Bedeutung.

Bis zu diesem Interview hatte es Obama – zur Enttäuschung vieler LGBT-WählerInnen – vermieden, sich zur gleichgeschlechtlichen Ehe klar zu positionieren. Vielmehr hatte er seine Meinung dazu lange Zeit als „evolving“ bezeichnet. Nun ist dieser Entwicklungsprozess offensichtlich abgeschlossen und Obama hat sich für eine Offensivstrategie entschieden – die übrigens ganz im Einklang mit seinem Kampagnenmantra „Forward“ steht (es ist meines Erachtens kein Zufall, dass in seiner Erklärung die Formulierung „to go ahead“ vorkommt).

Diese Strategie ist – wie jeder überraschende Schachzug – nicht ohne Risiko. Dementsprechend groß sind auch die Gewinn- und Verlustchancen, die ich an dieser Stelle etwas genauer analysieren möchte. Widmen wir uns zuerst den Risiken:

  • Mobilisierung der evangelikalen Rechten: Obama provoziert mit seiner Position den Zorn der evangelikalen Rechten, für die das Bekenntnis des US-Präsidenten zur „Homo-Ehe“ eine Kampfansage ist. Diese Gruppe hätte Obama zwar ohnehin nicht gewählt, hat aber nun ein sehr brauchbares Thema serviert bekommen, um ihre AnhängerInnen zu den Wahlurnen zu bringen. Angesichts der begrenzten Begeisterung der republikanischen Basis für den glatten Mitt Romney ist der Vorstoß Obamas also ein Geschenk für die Kampagnenmaschine des rechten Rands.
  • Mögliche Probleme in „swing states“: Obama kann zwar darauf vertrauen, dass inzwischen eine Mehrheit der US-WählerInnen seine Ansicht teilt, doch die entscheidende Frage ist, ob dies auch in den wahlentscheidenden „swing states“ der Fall ist. So sprachen sich z. B. in Ohio im Jahr 2004 und in Florida im Jahr 2008 jeweils deutliche Mehrheiten von 62 % der WählerInnen für die Verankerung des Verbots von gleichgeschlechtlichen Ehen in der Verfassung aus. Bei einem entsprechendes Referendum in North Carolina letzten Dienstag – der Anlass für Obamas Statement – lag diese Zahl bei 61 %.
  • Wahrnehmung der politischen Prioritäten: Die größte Gefahr für Obama besteht darin, als Präsident stilisiert zu werden, der sich lieber um die Rechte von Minderheiten kümmert, als sich den „großen Problemen“ der – unter einer für US-Verhältnisse hohen Arbeitslosigkeit leidenden – Bevölkerung zu widmen. Gelingt es Romney, ein derartiges Bild zu erzeugen, könnte Obama bei WechselwählerInnen – und sogar bei afroamerikanischen KernwählerInnen, die in punkto LGBT-Rechten konservativer als der Durchschnitt der DemokratInnen ticken – entscheidende Stimmen verlieren.

Diesen Risiken steht vor allem die Chance gegenüber, der eigenen Basis wieder Kampfgeist zu verleihen. Schließlich wird die Obama-Kampagne 2012 an der Obama-Kampagne 2008 gemessen werden – und muss es daher (zumindest teilweise) schaffen, wieder jene Begeisterung und Motivation unter ihren AnhängerInnen zu entfachen, die Obama ins Weiße Haus gebracht hat. Kantige, gesellschaftspolitische Aussagen – die auch politischen Mut erfordern – sind dazu durchaus geeignet. Insbesondere bei jüngeren und liberaleren WählerInnen (und natürlich in der LGBT-Community) kann Obama nun mit mehr Unterstützung rechnen – die seine Kampagne auch gleich auf my.barackobama.com/marriage und mit der Initiative Obama Pride zu sammeln versucht.

Obama betreibt mit seinem Vorstoß auch klassisches Agenda Setting. Mit einem einzigen, gut platzierten Interview ist es ihm gelungen, die innenpolitische Diskussion – zumindest vorübergehend – auf ein Thema zu lenken, das ihm mehr Chancen zur Mobilisierung von WählerInnen bietet als die Auseinandersetzung über die wirtschaftliche Lage der USA.

Dilemma für Romney

Damit bringt der US-Präsident seinen Gegenspieler Mitt Romney unter Zugzwang – denn dessen Kampagnendrehbuch sieht vor, den Amtsinhaber für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich zu machen. Eine Polarisierung rund um ein „wedge issue“ wie die „same-sex marriage“ kommt dem designierten Kandidaten der Republikaner dabei eher ungelegen. Denn für Romney sind LGBT-Themen ein Eiertanz, was nicht nur die kürzliche Entlassung eines hochrangigen schwulen Kampagnenmitarbeiters von ihm zeigte. Auch der Vorwurf, er hätte in seiner Highschool-Zeit einem schwulen Mitschüler die Haare abgeschnitten, bringt Romney in Verlegenheit. Und sein Vorwahl-Gegenspieler Rick Santorum erhöht den Druck auf Romney, indem er ihn auffordert, die Steilvorlage von Obama als „Waffe“ zu nutzen. Romneys Dilemma: Zieht er nicht entschlossen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ins Feld, wenden sich die aufgestachelten Evangelikalen enttäuscht von ihm ab. Tritt Romney aber zu vehement dagegen auf, schreckt er parteilose WählerInnen ab.

Obamas Schachzug ist auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass sich der Fokus seiner Kampagne zuletzt verändert hat. Statt Mitt Romney nur als „Flip-Flopper“ zu attackieren (was dem Ex-Gouverneur von Massachusetts im Vorwahlkampf bei der republikanischen Basis geschadet hat), wird er nun auch verstärkt als rückwärtsgewandter Konservativer dargestellt. Obama = Forward, Romney = Backward – auf diesen Kontrast zielt die Obama-Kampagne ab, wie auch das folgende Video deutlich macht:

Das Thema „same-sex marriage“ ist nur der Auftakt für weitere Gegenüberstellungen dieser Art – und damit ein erster „Proof of Concept“ für die Anwendbarkeit seiner „Forward“-Botschaft.

Base Strategy

Interessant ist, dass diese Strategie durchaus einige Parallelen zur Wiederwahlkampagne von George W. Bush im Jahr 2004 aufweist. Die von Bushs strategischem Mastermind Karl Rove geprägte „Base Strategy“ war maßgeblich darauf ausgerichtet, die eigenen AnhängerInnen zu mobilisieren, den politischen Gegner hart zu attackieren und mit zugkräftigen, polariserenden Themen wie der „nationalen Sicherheit“ die Diskussion zu bestimmen.

Es derartige Strategie konnte und kann nur deshalb erfolgreich sein, weil das politische Klima in den USA seit den 1970er-Jahren von einer deutlichen Polarisierung geprägt ist, wie z. B. eine sehr interessante Studie der RAND-Corporation ausführt. Ein Trend, der durch die auf dieser Erkenntnis aufbauenden Kampagnen wohl eher verstärkt werden dürfte.

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass Obama sich in einem Wahljahr mit gesellschaftspolitischen „heißen Eisen“ auf die Seite seiner AnhängerInnen stellt, statt seine Positionen etwas aufzuweichen und auf die politische Mitte abzuzielen. Denn ein Lagerwahlkampf ist für den US-Präsidenten viel eher zu gewinnen als eine Urabstimmung über seine mit uneinlösbaren Erwartungen begonnene Amtszeit. Die Leitformel dafür könnte vom deutschen Dichter Friedrich von Logau stammen: „In Gefahr und grosser Noth // Bringt der Mittel-Weg den Tod.“

Posted in Allgemein, Barack Obama, Feature, Strategy Sunday2 Kommentare

USA2012.at goes Salzburg

USA2012.at geht wieder einmal auf Tour. Das Renner Institut Salzburg und die Salzburger SPÖ veranstalten kommenden Dienstag ein Kamingespräch über die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl mit dem USA-Experten Univ.-Prof. Dr. Reinhard Heinisch (Politikwissenschafter an der Universität Salzburg) und meiner Wenigkeit.

Hier die Eckdaten:
Dienstag, 15. Mai 2012, 19 Uhr
academy Café Bar, Franz-Josef-Straße 4, 5020 Salzburg

Um Anmeldung wird gebeten – bitte via E-Mail an alexander.neunherz@renner-institut.at oder telefonisch unter 0662-424500-400.

Ich bin schon sehr gespannt auf das Gespräch mit Herrn Univ.-Prof. Dr. Reinhard Heinisch, der u. a. jahrelang an der Universität von Pittsburgh war, einmal selbst als Wahlkampfmanager für einen Kongressabgeordneten arbeitete und für den ORF auch die letzte US-Präsidentschaftswahl kommentierte.

Und noch viel mehr würde ich mich freuen, einige Salzburger LeserInnen von usa2012.at bei dieser Gelegenheit kennenlernen zu dürfen.

Posted in Allgemein0 Kommentare

Battle Ground, Indiana?

Nein, Indiana zählt nicht zu den heiß umkämpften Bundesstaaten der diesjährigen US-Präsidentschaftswahlen – wobei das Wort „Wahlkampf“ in einem der beschaulichsten Bundesstaaten des mittleren Westens ohnehin ein wenig zu aggressiv anmuten würde …

Morgen stehen wieder drei primaries auf dem (inzwischen zum bloßen Pflichtprogramm mutierten) republikanischen Vorwahlkalender: North Carolina, West Virginia und Indiana. Über North Carolina haben wir schon mal etwas geschrieben, diesmal wollen wir uns daher Indiana etwas genauer ansehen. Denn der „Hoosier State“ zählt zu jenen Bundesstaaten, die Barack Obama 2008 – im Gegensatz zu John Kerry 2004 – für die Demokraten gewinnen konnte.

Doch eigentlich war das ein kleines Wunder, denn Indiana ist nicht gerade das, was man einen typischen „swing state“ nennt. Vor Barack Obama (der sich die 11 Wahlmänner von Indiana mit einem denkbar knappen Vorsprung von 0,9 % der Stimmen sicherte) vollbrachten nur Franklin D. Roosevelt (1932 und 1936) sowie Lyndon B. Johnson (1964) dieses Kunststück. Und allen bisherigen Umfragen zufolge wird Indiana im November diesen Jahres wieder an Mitt Romney fallen.

Indiana ist für die Demokraten ein harter Boden, denn der im „Heartland“ der USA gelegene Bundesstaat ist ein Teil des „Bible Belts“ und – bis auf die Hauptstadt Indianapolis und die Industriestadt Lake Michigan – stark landwirtschaftlich geprägt.

From Indiana, For Indiana, In Indiana

Wer ein Bild davon bekommen möchte, wie Wahlkämpfe in Indiana aussehen, sollte sich mal dieses Video hier zu Gemüte führen:

Nein, der patriotische Herr mit dem Schnauzbart ist kein Republikaner. John Gregg, so heißt der Mann, ist der Kandidat der Demokraten für die – ebenfalls in diesem November stattfindenden – Gouverneurswahlen von Indiana. Und er wird heuer wohl einen weiteren Beleg für die Kampagnenregel liefern, dass Männer mit Bart nicht mehr gewählt werden (obwohl er durchaus selbstbewusst mit seiner Oberlippenbeharrung umgeht, wie das Logo seiner Kampagne belegt). Sein designierter republikanischer Gegenspieler Mike Pence führt derzeit jedenfalls in allen Umfragen mit einem zweistelligen Vorsprung und wird wohl keine Probleme haben, in sechs Monaten das Büro des Gouverneurs im ersten Stock des Indiana Statehouse zu beziehen.

Angesichts dieser Perspektiven verwundert es nicht, dass die Obama-Kampagne keine Anstalten macht, Indiana – so wie eine Reihe anderer Bundesstaaten – zu einem „Battleground“ des Präsidentschaftswahlkampfs zu machen. Schon der Begriff dürfte in Indiana ein wenig fehl am Platz wirken. Mit einer Ausnahme: Dem kleinen Ort Battle Ground in der Nähe von von Lafayette.

Posted in Allgemein, Barack Obama, Bundesstaaten, Indiana, Mitt Romney, Mittlerer Westen1 Kommentar

Strategy Sunday: Botschaften

„Forward“ ist das neue „Yes We Can“. Anfang dieser Woche präsentierte die Kampagne von Barack Obama ihr neues Wahlkampf-Mantra. Der neue Leitbegriff „Forward“ soll heuer das werden, was die Schlagwörter „Hope“ und „Change“ im Jahr 2008 waren. Eingeführt wurde er mit einem ausführlichen YouTube-Video, das die Botschaften erklärt, die sich hinter diesem Wort verbergen (oder besser: mit denen dieses Wort aufgeladen werden soll).

Damit wird die Kernbotschaft von Barack Obama in diesem Wahljahr immer deutlicher – sie könnte in etwa so lauten: Trotz des schwierigen Erbes der Bush-Ära sind die Vereinigten Staaten unter Obama vorwärts gekommen. Mit seiner Wiederwahl wird das Land weiter auf dem richtigen Weg bleiben. Mit den Republikanern hingegen geht es zurück zu jenen Rezepten, die die Wirtschaftskrise mitverschuldet haben.

Auf den ersten Blick wirkt „Forward“ nicht besonders spektakulär, in unseren Breitengraden vielleicht sogar ein wenig retro – zählt das Wort doch zu den klassischen Kampfbegriffen der ArbeiterInnenbewegung (so hieß z. B. das 1876 gegründete Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie „Vorwärts“, nicht zu vergessen der Vorwärts-Verlag der SPÖ). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses schlichte Wort durchaus funktioniert, um eine taugliche Wahlkampfbotschaft auf den Punkt zu bringen. Denn ein wirksames Mantra muss drei Formen von Botschaften verbinden können:

  • Positivbotschaften: Eine alte Kampagnenweisheit besagt, dass man nicht für die Leistungen der Vergangenheit gewählt wird („Dankbarkeit ist keine politische Kategorie“, wusste schon Bruno Kreisky), sondern zur Bewältigung der Herausforderungen von morgen. „Forward“ signalisiert, dass Obama Pläne für die Zukunft hat – die er unter diesem Schlagwort präsentieren kann.
  • Immunisierungsbotschaften: Eine gute Kampagne antizipiert etwaige Angriffe der Gegenseite und versucht die WählerInnen dagegen zu immunisieren. Das Obama-Camp weiß nur zu gut, dass Mitt Romney versuchen wird, die Arbeitsbilanz des Amtsinhabers als enttäuschend darzustellen. „Forward“ bietet Obama die Möglichkeit, auf die Erfolge seiner Amtszeit hinzuweisen – und der absehbaren Kritik damit etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.
  • Angriffsbotschaften: Eine Kampagne muss die Stärken des eigenen Kandidaten mit den Schwächen des Gegenspielers kontrastieren, um den WählerInnen die Entscheidung zu erleichtern. „Forward“ eignet sich perfekt für die Obama-Kampagne, um Mitt Romney in handverlesenen Punkten als rückschrittlich zu attackieren.

Gute Botschaften – vor allem gute zentrale Kampagnenbotschaften – müssen eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen. Sie müssen prägnant, einfach verständlich, glaubwürdig und relevant sein. Dafür müssen sie u. a. zum/zur KandidatIn, zur politischen Situation und zur Stimmung des Wahlvolks passen. Sie müssen die WählerInnen sowie deren Wertvorstellungen und Emotionen ansprechen. Und sie müssen sich auf die Themen abstimmen lassen, um die es im Wahlkampf geht – darunter auch jene unplanbaren Ereignisse, die im Verlauf einer Kampagne immer auftauchen können.

Gestern hat Obama – mit einer „Get Ready Rally“ im wichtigen swing state Ohio – offiziell seinen Wahlkampf eröffnet. Seine kämpferische Rede belegt, dass sein Wahlkampf mit „Forward“ nicht nur ein Motto gefunden hat, sondern auch eine konsistente Botschaft, die alle oben genannten Kriterien erfüllt. Das ist die halbe Miete für den Erfolg einer Kampagne. Die andere Hälfte besteht darin, diese Botschaft konsequent zu wiederholen – und dabei stets konsistent und den gesamten Wahlkampf hindurch stimmig zu bleiben. Ob ihm das gelingt, werden wir in den nächsten sechs Monaten beobachten können.

Posted in Allgemein, Barack Obama, Strategy Sunday2 Kommentare

Strategy Sunday: Bilder

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte – und das ist wohl auch der Grund, warum Bilder in unserer Zeit zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel geworden sind. Das gilt auch für Wahlkampagnen – nicht nur in den USA.

Ohne Bilder geht heute gar nichts mehr. In den Printmedien ist der „Bildanteil“ – also das Verhältnis zwischen Foto- und Textflächen – in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Im Internet ist der gleiche Trend zu beobachten (dem nicht nur Facebook mit seinem neuen Profildesign Rechnung zu tragen scheint) und im Bildmedium Fernsehen hat man ohne ansprechende (Bewegt-)Bilder ohnehin keinen Auftrag. Selbst RadiomacherInnen schätzen eine „bildhafte“ Sprache, damit sie im beständigen Kampf um die besten Bilder nicht auf der Strecke bleiben.

Der Grund dafür ist einfach: Bilder sind stark. Wie ein Magnet ziehen sie unsere Aufmerksamkeit auf sich, werden rascher erfasst als Texte und schießen unbewusst ins emotionale Zentrum unseres Gehirns – noch bevor wir artikulieren können, was wir eigentlich sehen. Wären Bilder nicht so wirksam, würde Werbung vor allem aus Text bestehen. Doch Fotos sind mächtiger, weil sie Inhalte verdichten, Geschichten erzählen und dabei dennoch das Gefühl vermitteln, wir könnten uns ein eigenes Bild vom Geschehen machen.

Bilder lügen nicht? Von wegen …

Letzteres ist besonders fies, denn Bilder waren schon in der Prä-Photoshop-Ära nicht objektiver als andere Inhalte. Die Manipulation beginnt dabei nicht erst bei der gezielten Nachbearbeitung: Schon im Moment der Aufnahme können gestalterische Aspekte wie Bildausschnitt, Perspektive oder Bildstil eine subtile Botschaft vermitteln. Es macht schließlich einen Unterschied, ob von einer Kundgebung bunte Bilder hoffnungsvoller Gesichter einzelner DemonstrantInnen oder die farbreduzierte Totalaufnahme einer bedrohlich-anonymen Masse gezeigt werden – wahlweise kontrastiert mit Gruppenbildern hochgerüsteter Polizeikordons oder dem Porträt eines besorgten Ordnungshüters. Durch die Bildauswahl, Bildkombinationen (oder, im TV, dem Schnitt) sowie entsprechende Begleittexte lässt sich beinahe für jede Geschichte der passende Bild- bzw. Videobeweis erbringen. Und was sich hinter der Kamera abspielt, liegt ohnehin im toten Winkel der Medienwirklichkeit.

Wie ich ich in diesem Blog bereits geschrieben haben, tragen Bilder viel zur Verstärkung des Momentums einer Kampagne bei. Obwohl es von allen KandidatInnen sowohl vorteilhafte als auch unvorteilhafte Bilder gibt: Wer die Nase vorne hat, wird mit einem strahlenden Lächeln gezeigt, wer hinten liegt, mit zusammengekniffenen Mund – eine Text-Bild-Schere wäre dem Publikum schließlich kaum zumutbar.

Politische Ikonographie

Kein Wunder also, dass Bilder und Bildinszenierungen auch in der Politik eine große Rolle spielen. Das tun sie übrigens nicht erst seit gestern, wie der eher junge Wissenschaftszweig der politikwissenschaftlichen Bildforschung bzw. der „politischen Ikonographie“ zeigt. Das erst 2011 erschienene Handbuch der politischen Ikonographie belegt dies auf schlanken 1.137 Seiten sehr eindrucksvoll. (Ein interessanter, aber leider nicht sonderlich aktiv betriebener Blog zur visuellen Wahlkampfkommunikation behandelt auch ein treffendes Beispiel aus dem laufenden US-Vorwahlkampf zu diesem Thema.)

Aus einigen Erkenntnissen dieser Disziplin möchte ich heute – für WahlkämpferInnen und kritische BeobachterInnen – ein paar „Basics“ der Bildinszenierung ableiten, die sich nicht zuletzt an einigen Grundregeln der Theaterkunst orientieren:

  • Handlungen setzen: Mit Ausnahme von Porträtfotos sollten alle Bilder eine Handlung zeigen, sonst erzählen sie keine Geschichte – und sind für Medien stinklangweilig. Ein Gruppenfoto im Stil der Panini-Album-Pickerl von Fußball-Nationalmannschaften schafft es selbst in ein Bezirksblatt nur mehr mangels entsprechender Alternativen. Wer den Kleinen im Kindergarten nicht wenigstens aus einem Buch vorliest oder sich beim Besuch einer Betriebskantine nicht einmal an der Essensausgabe versucht, muss als KandidatIn Nachhilfestunden nehmen.
  • Requisiten verwenden: Requisiten und Kostüme sind wichtige Hilfsmittel, um sprechende Bilder zu erzeugen. Diese wollen allerdings fachgerecht eingesetzt werden: Besuch in einer Autofabrik? Rein in den Wagen (aber bitte nur auf dem Fahrersitz Platz nehmen). Wahlkampfauftritt in Texas? Cowboyhut nicht vergessen (aber Hände weg vom Lasso – zumindest wenn man im einstigen Brotberuf nicht RodeoreiterIn war). Fototermin in einer Tischlerei? Mit den sich anbietenden Werkzeugen hantieren (aber bitte vorher nach deren fachgerechter Handhabung erkundigen).
  • Den Hintergrund nutzen: Wie im Theater, sorgt auch bei Kampagnenauftritten die Kulisse für die Atmosphäre. KandidatInnen sollten immer vor einem Hintergrund stehen, der eine Botschaft vermittelt, z. B. mit einem starken Slogan auf der Bühnenwand, einer dichte Menschenmenge (zusammengesetzt aus allen Bevölkerungsgruppen) oder der Landesflagge – am besten aber gleich alles zusammen.
  • Keine Berührungsängste: Menschen haben oft eine gewisse Scheu, auf fremde Personen (insbesondere wenn es sich dabei um bekannte PolitikerInnen handelt) einfach locker zuzugehen. KandidatInnen dürfen sich diesen Luxus nicht leisten – sie müssen die Fähigkeit haben, diese Distanz bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu überwinden. Andernfalls lässt sich ihre Volksnähe nicht bildhaft dokumentieren.
  • An die FotografInnen denken: Diese letzte Regel klingt einfach, wird aber in vielen Kampagnen missachtet. Manche PressesprecherInnen sind so darauf fixiert, die RedakteurInnen zu betreuen, dass sie auf die FotografInnen schlicht vergessen. Doch wer die Bedürfnisse dieser Gruppe ignoriert, darf sich nicht über unvorteilhafte Fotos in der Zeitung wundern …

Ich könnte hier noch stundenlang über visuelle Symbole, Körpersprache, Bekleidungscodes, beliebte Fallen, den Umgang mit Pannen und vieles mehr schreiben – denn Bildinszenierungen sind ein immens weites Feld. Die obigen Empfehlungen verstehen sich wirklich nur ein kleines 1 x 1 im Vergleich zur höheren Mathematik, die US-Wahlkampagnen in ihrem Bestreben nach den besten Bildern betreiben. So ist es kein Zufall, wenn das Weiße Haus mit Pete Souza einen Spitzenfotografen beschäftigt, der sich mit dem Titel „Chief Official White House photographer for President Barack Obama and Director of the White House Photography Office“ schmücken darf. Souza macht in dieser Funktion etwa 20.000 Bilder pro Woche (!) und wurde 2011 vom Politikmagazin The New Republic – vollkommen zu Recht – zu „Washington’s most powerful, least famous people“ gezählt.

Ansätze dieser Art sind – ein paar Spielklassen tiefer – auch in Österreich anzutreffen. Laut Medienberichten soll die ÖVP für die Auftritte ihres Obmanns neuerdings einen internationalen Fotografen engagiert haben, der dazu beitragen soll, Michael Spindelegger mit einem „neuen Style“ aus dem Umfragetief zu helfen. Man kann gespannt sein, ob das klappt – selbst die Macht der Bilder hat ihre Grenzen.

Posted in Allgemein, Feature, Strategy Sunday0 Kommentare

Strategy Sunday: Issue Management

Es gibt Themen, die einer Wahlkampagne nützen und solche, die ihr schaden. Manche dieser gefährlichen Themen sind so gewichtig, dass sie beim besten Willen nicht ignoriert werden können, weil eine Diskussion darüber unausweichlich ist. Solche Themen müssen aus Sicht eines Kampagnenmanagers rechtzeitig neutralisiert werden, bevor die andere Seite damit die öffentliche Debatte dominiert. Die Technik dahinter nennt man Issue Management – und die US-Wahlen sind das beste Anschauungsobjekt dafür.

Seit klar ist, dass das Rennen um die US-Präsidentschaft in diesem November zwischen Barack Obama und Mitt Romney entschieden wird, konzentrieren sich die Kommentare auf die zu erwartenden Kampfzonen dieser Auseinandersetzung. Zwei Themen stehen dabei im Mittelpunkt der aktuellen Analysen: Wirtschaft und Persönlichkeit. In einem sehr lesenswerten Beitrag im Blog der New York Times (vielen Dank übrigens an Armin Wolf für diesen Hinweis), legt der Meinungsforscher Andrew Kohut die wunden Punkte der beiden Kandidaten offen.

Obamas Achillesferse

Die Wirtschaftslage ist die Achillesferse Obamas. Noch kein Amtsinhaber seit Franklin D. Roosevelt konnte sich mit einer Arbeitslosenrate über 7,2 % seine Wiederwahl sichern (derzeit liegt sie bei 8,2 %). Das Obama-Camp dürfte die monatlichen Konjunkturdaten und Arbeitsmarktzahlen fast ebenso gespannt erwarten wie aktuelle Meinungsumfragen, denn tiefergehende Analysen zeigen einen starken Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Wahlergebnissen. Der Slogan „It’s the economy, stupid“ wurde schon George H. W. Bush zum Verhängnis, der 1992 von einem Außenseiter namens Bill Clinton geschlagen wurde, obwohl er als Sieger des Kalten Krieges und Befreier von Kuwait zeitweilig als unschlagbar galt (und die kurze Rezession der US-Wirtschaft Anfang der 1990er-Jahre bereits im März 1991 endete). Besonders bedenklich: Zwei Drittel der US-BürgerInnen sind der Ansicht, dass ihr Land sich auf dem falschen Weg befindet. Ohne eine positive Entwicklung der US-Wirtschaft wird diese negative Stimmung zum Mühlstein am Hals der Obama-Kampagne.

Insofern ist es nur logisch, dass sich Mitt Romney als „fix-it man“ der US-Wirtschaft präsentiert und die hohe Arbeitslosigkeit sowie die schwächelnde Konjunktur in den USA zu einem zentralen Thema dieses Wahljahres machen möchte. Eine naheliegende und – wie sich abzeichnet – durchaus wirksame Strategie. Romney hat mit den Problemen der US-Wirtschaft ein starkes Thema im Köcher, mit dem er sich als Gegenpol zu Obama darstellen und die WählerInnen auf einen grundlegenden Unterschied zu Obama aufmerksam machen kann – was zur Beeinflussung von Wahlentscheidungen immens wichtig ist.

Das Issue Management des Obama-Camps

Die Wirtschaftslage ist sowohl für die WählerInnen als auch für die Medien ein zu wichtiges Thema, um von Obama umschifft werden zu können. Insofern muss er einen Weg finden, durch die unausweichliche Diskussion darüber nicht in die Defensive gedrängt zu werden. Es zeigt sich, dass seine Kampagne dafür (fast) alle Register des Issue Managements zieht:

  • Historisches Framing: Das Obama-Camp weist darauf hin, dass die schlechte Wirtschaftslage ein Erbe der Bush-Ära ist – und damit eine Folge jener Wirtschaftspolitik, für deren Comeback Romney steht. Einer der Höhepunkte der Wirtschaftskrise, die Insolvenz von Lehman Brothers, fand immerhin sieben Wochen vor Obamas Wahl statt.
  • Bilanzpolitur: Die ökonomischen Eckdaten sind nicht erfreulich, aber besser als vor vier Jahren – dieser Botschaft widmet die Obama-Kampagne (u. a. durch die aufwändige Dokumentation The Road We’ve Travelled) sehr viel Energie. Tatsächlich trat Obama sein Amt bei einer Arbeitslosigkeit im Bereich von 10 % an und vor allem zuletzt war eine leichte wirtschaftliche Erholung spürbar. Das gefährliche an dieser Botschaft ist allerdings die Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung – sollte die US-Wirtschaft wieder in Richtung Rezession rutschen, löst sich ein wesentlicher Teil seiner Argumentation in Luft auf.
  • Generalisierung: Obama bietet den US-BürgerInnen mit einer rund um das Thema „Fairness“ aufgebauten Kampagne einen übergeordnetes Motiv an, mit dem es ihm leichter fällt, das Thema zu wechseln und seinen Gegenspieler zu attackieren.
  • Fokussierung: Durch gezielte Offensiven (z. B. für die „Buffett Rule“) trachtet die Obama-Kampagne danach, populäre Themen wie Vermögensbesteuerung in den Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Diskussion zu rücken und damit ein Agenda Setting weg vom Thema Arbeitslosigkeit zu betreiben.

Es ist kein Zufall, dass seine Kampagne diese strategischen Leitlinien bereits jetzt etabliert hat, denn „Issue Management“ funktioniert nur langfristig – und Dethematisierungsstrategien sind umso leichter als Kampagnentrick zu entlarven, je näher eine Wahl kommt und je größer ein Thema in der öffentlichen Wahrnehmung bereits ist.

Und Romney?

So wie die Wirtschaftslage für Obama ist das Thema Persönlichkeit das große Problem von Mitt Romney. Seine „favorability ratings“ liegen deutlich hinter jenen des Amtsinhabers – laut Kohut ist Romney sogar der Präsidentschaftskandidat mit den deutlich niedrigsten Zustimmungsraten seit deren Erhebung. Eine alte Kampagnenweisheit sagt, dass am Ende der beliebtere Kandidat die Nase vorne hat – und nur wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. Angesichts einer immer ausgeprägteren Personalisierung (und Entpolitisierung) von Wahlkämpfen muss den Persönlichkeitswerten von KandidatInnen zwangsläufig eine wachsende Bedeutung zukommen.

Doch Romneys Kampagnenteam hat gute Gründe, deswegen noch nicht in Alarmstimmung zu verfallen. Einer davon heißt Bill Clinton, der vor dem Beginn des Hauptwahlkampfs 1992 vergleichbar schlechte „favorability ratings“ hatte wie der republikanische Herausforderer heute. Nate Silver erläutert in einem aktuellen Blogbeitrag, dass die unterschiedlichen Persönlichkeitswerte von KandidatInnen in der Frühphase eines Wahlkampfs mit Vorsicht genossen werden müssen, da sich diese im Kampagnenverlauf – nicht zuletzt durch „negative campaigning“ – ändern können. Tatsächlich haben Romneys Werte einen Sprung nach oben gemacht, seit er als Kandidat der Republikaner fix (und der innerparteiliche Grabenkampf beendet) ist. Für ihn ist diese positive Entwicklung zu jetzigen Zeitpunkt doppelt wichtig, denn Bill Clinton war im Frühjahr 1992 noch deutlich unbekannter als Romney heute – und hatte dementsprechend mehr Potenzial, sein Image zu korrigieren.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Attacken Romneys auf Barack Obama bald heftiger werden. Und nach dem Thema dafür wird er nicht lange suchen müssen: It’s the economy, stupid.

Posted in Allgemein, Barack Obama, Feature, Mitt Romney, Strategy Sunday2 Kommentare

Strategy Sunday: Humor

Humor wird in politischen Kampagnen ein immer wichtigeres Instrument. Bedauerlicherweise hat die österreichische Politik noch nicht erkannt, dass Humor erst dort beginnt, wo der Spaß aufhört.

In weniger als zwei Wochen hält US-Präsident Barack Obama eine seiner unterhaltsamsten Reden dieses Jahres, denn am letzten Samstag im April findet traditionell das „White House Correspondents’ Dinner“ statt. Zu den Fixpunkten des Programms dieser Veranstaltung zählt eine launige Rede des US-Präsidenten, der an diesem Abend – wo zwischen der politischen Administration und dem Pressekorps für ein paar Stunden lang Waffenstillstand herrscht – sein humoristisches Talent beweisen muss.

Derartige Auftritte sind ein aufgelegter Elfmeter für den Amtsinhaber, der die – seit 1920 bestehende – Veranstaltung im vergangenen Jahr nutzte, um die Verschwörungstheorien über seine Geburtsurkunde ins Lächerliche zu ziehen. Doch Obama hat es damit noch lange nicht geschafft, sich als bester Entertainer im Weißen Haus einen Namen zu machen. Mein Favorit unter den Einlagen, die US-Präsidenten der versammelten Hauptstadtpresse bislang servierten, ist das folgende Video. Bill Clinton nahm darin die letzten Tage seiner Amtszeit (die jeder Präsident als lame duck meistern muss) mit einer großen Portion Selbstironie auf die Schippe. Auch die dazugehörige Rede ist übrigens sehr unterhaltsam – vor allem die Passage, in der sich Clinton Gedanken über die Formulierung seines Lebenslaufs macht.

Selbst der nicht für seine Wortgewandtheit berühmte Nachfolger Clintons, George W. Bush, konnte im Rahmen dieser einzigartigen Veranstaltung beweisen, dass er über seine Schwächen lachen kann – und damit manchem Kritikpunkt an ihm die Schärfe nehmen:

George W. Bush lieferte allerdings auch ein Beispiel dafür, wie gefährlich das Terrain der Unterhaltung sein kann. Als er im Rahmen seiner Ansprache auf dem „White House Correspondents’ Dinner“ im Jahr 2004 jene „weapons of mass destruction“, die als Vorwand für den Krieg gegen den Irak dienten, unter dem Schreibtisch des Oval Office suchte, musste er dafür massive öffentliche Kritik einstecken.

Warum Humor stark macht

Das „White House Correspondents’ Dinner“ ist jedenfalls eine gute Gelegenheit, einen Blick auf die Bedeutung von Humor in der politischen Kommunikation zu werfen. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum er für PolitikerInnen sehr wichtig sein kann:

  • Humor macht menschlich und sympathisch. Er trägt dazu bei, eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen, denn wer z. B. über sich selbst lachen kann, zeigt damit auch, sich nicht für etwas Besseres zu halten (über ein gutes Beispiel dafür haben wir in diesem Blog bereits berichtet). Ein guter Sinn für Humor ist jedenfalls ein Zeichen von sozialer Intelligenz und stärkt die Bindung zum Wahlvolk – denn gemeinsames Lachen stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.
  • Humor sorgt für Aufmerksamkeit. Gelungene Pointen üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Medien aus, weshalb ein unterhaltsamer „Sager“ viel dazu beitragen kann, mit der eigenen Botschaft durchzukommen. Beispielsweise gelang es US-Präsident Obama mit der zugespitzten Formulierung, die Republikaner würden mit dem Grenzschutz erst dann zufrieden sein, wenn es an den US-Grenzen „einen Graben mit Alligatoren“ geben würde, auf die Überzogenheit ihrer (immer wieder nach oben geschraubten) Forderungen hinzuweisen.
  • Humor kann Kritiker entwaffnen. So wie er Missgeschicke oft etwas erträglicher machen kann, ist er auch in der Lage, Fehler und Kritikpunkte abzuschwächen. Die politische Geschichte ist voller Beispiele dafür – so hat Abraham Lincoln (dessen schiefes Antlitz man heute wohl als Radiogesicht bezeichnen würde) den Vorwurf der Doppelgesichtigkeit mit der Bemerkung „If I had two faces, would I be wearing this one?“ durchaus erfolgreich gekontert.

Humor wird wichtiger

Der mediale Trend zum „Infotainment“, mit dem auf unterhaltsame Weise versucht wird, einem zunehmend desinteressierten Publikum (politische und anderweitige) Sachverhalte zu vermitteln, macht Humor zu einer immer bedeutsameren Voraussetzung für erfolgreiche politische Kommunikation. So zeigt sich der Kommunikationswissenschaftler John Meyer von der University of Southern Mississippi davon überzeugt, dass Humor in der Politik heute wichtiger ist als jemals zuvor: „I think the more we have had media involved in our presidential campaigns, the more humor has become a force for presidents to use both in becoming elected and in becoming an effective president,“ so Meyer in einem lesenswerten Artikel zu diesem Thema.

Stimmt seine Einschätzung, so hat Mitt Romney im November keine guten Karten – denn während Obama sich dieses Instruments (zumindest gelegentlich) durchaus wirksam zu bedienen weiß, bemüht sich Mitt Romney bislang eher erfolglos, seine humorvolle Seite zu präsentieren …

Romney wirkt dabei durch und durch wie ein österreichischer Politiker, denn der Einsatz von Humor in der heimischen Politik entspricht im Vergleich zu jenem in den USA in etwa dem dem Verhältnis zwischen dem Villacher Fasching und amerikanischen Stand-Up Comedians (wie z. B. Russell Peters, wenn wir schon beim Thema Schmerzen sind).

Spaß beiseite

Hierzulande wird Humor in der Politik eher mit dem gehässigen Gaudium auf einem politischen Aschermittwoch gleichgesetzt, wo die schenkelklopfende Verunglimpfung des politischen Gegners auf der Tagesordnung steht – und in etwa so humorvoll ist wie ein frauenfeindlicher Witz. Typen wie Herbert Kickl haben zahlreiche Beispiele für die Kluft zwischen Kalauer und Humor geliefert.

Wird es in der heimischen Politik „lustig“ (die Anführungszeichen sind ebenso berechtigt wie unnötig), so geht es nicht darum, die Menschen zu verbinden, sondern darum, sie zu trennen. Statt der feinen Klinge dominiert die gehässige Keule, Ironie ist quasi verboten und Selbstironie – bis auf wenige, kontrollierte Ausnahmen (wie z. B. der Pröll-Glatzen-Skihaube oder einigen, leider nicht im Netz auffindbaren Wahlkampfspots der Grünen) – gleichsam Mangelware. Es sieht traurigerweise so aus, als sei die österreichische Politik nicht selbstbewusst genug, um sich über sich selbst lustig machen zu können – und auch in ernsten Situationen jene souveräne Gelassenheit an den Tag zu legen, die zu den Grundbedingungen guten Humors zählt.

Von Oscar Wilde stammt der kluge Satz, das Leben sei „viel zu wichtig, um ernsthaft darüber zu reden“ (übrigens ein schönes Beispiel für eine Sustention). Die hiesigen PolitikerInnen sollten diesen Rat zumindest gelegentlich beherzigen, denn eine gesunde Distanz zur eigenen Bedeutsamkeit wäre ein Zeichen demokratischer Reife. Und ich könnte uns allen schon jetzt viel Spaß dabei wünschen.

Posted in Allgemein, Barack Obama, Feature, Mitt Romney, Strategy Sunday2 Kommentare

Warum Santorum aufgibt

Mit dem Ausscheiden von Rick Santorum neigt sich das Rennen um die Nominierung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten dem Ende zu. Der Darling der Evangelikalen macht den Weg frei für Mitt Romney – und beweist damit ein weiteres Mal taktisches Geschick.

Rick Santorum mag heute seine Ambitionen aufgegeben haben, der diesjährige Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden, doch betrachtet man seine Ausgangsposition und das Resultat der von ihm geführten Kampagne, dann ist er einer der – wenn nicht der – Gewinner der republikanischen Vorwahlen. Dank einer soliden, mit kantigen „wedge issues“ auf die republikanischen Basis ausgerichteten Kampagne gelang es ihm, zum relevantesten Gegenspieler des von Beginn an als Favoriten gehandelten Mitt Romney zu werden. Ein hart erarbeiteter Erfolg.

Als Santorum mit hohem persönlichen Einsatz die symbolisch wichtigen Vorwahlen in Iowa für sich entscheiden konnte, machte er zum ersten Mal auf den Kampfgeist seiner Kampagne aufmerksam. Nachdem er im Windschatten der darauf folgenden Vorwahlen beinahe untergetaucht war, unterstrich er mit einem unerwarteten Hattrick bei den Primaries in Minnesota und Colorado sowie der unverbindlichen „Beauty Contest“-Vorwahl von Missouri am 7. Februar eindrucksvoll seine Relevanz als Kandidat. Spätestens am Super Tuesday sicherte er sich dann die Rolle als „Anti-Romney“ und holte sich in weiterer Folge – nach einem deutlichen Sieg in Kansas – auch die Südstaaten Alabama und Mississippi (sowie zuletzt Louisiana). Für einen Außenseiter eine beachtliche Bilanz.

Die Mathematik als Gegner

Zuletzt hatte Santorum allerdings einen noch erbitterten Gegner als Mitt Romney und Newt Gingrich zusammen: die Mathematik. Um sich noch die Nominierung zu sichern, hätte Santorum nach den jüngsten Vorwahlen vom 3. April rund 75 % der verbleibenden Delegierten gewinnen müssen – bis dahin hatte er gerade einmal ein Viertel geholt (während Mitt Romney bei über 50 % der Delegierten hält). Eine genauere Analyse zeigt, dass er selbst mit einem guten Abschneiden bei den verbleibenden, großen „winner-takes-all“-Primaries keine Chance mehr gehabt hätte, genug Delegierte für eine Mehrheit zu sammeln.

Tatsächlich stehen nur mehr drei reine „winner-takes-all“-Vorwahlen auf dem Programm: Delaware (24. April), New Jersey (5. Juni) und Utah (26. Juni). In allen diesen Bundesstaaten spricht vieles für einen Erfolg von Romney: Delaware ist eher moderat, in New Jersey hat Romney den populären Gouverneur Chris Christie als Wahlkämpfer auf seiner Seite und Utah ist für den Mormonen Romney quasi ein Heimspiel.

Keine Chance auf eine Mehrheit

In Texas und Kalifornien, wo zusammen immerhin 327 Delegierte vergeben werden, gilt zwar das „winner-takes-all“-Prinzip, aber nicht landesweit, sondern nur pro Kongress-Wahlkreis („congressional district“). Hillary Clinton hat 2008 die demokratischen Vorwahlen in Texas mit fünf Prozentpunkten Vorsprung vor Barack Obama gewonnen – und dafür nur 9 Delegierte mehr erhalten.

Im Klartext heißt das: Mitt Romney war für Santorum nicht mehr einholbar. Selbst wenn Romney den einen oder anderen Bundesstaat verloren hätte, wäre er wohl überall zumindest als guter Zweiter ins Ziel gegangen – und hätte damit kontinuierlich Delegierte gesammelt. Das Drehbuch dafür könnte er sich von niemand geringerem als Barack Obama abgeschrieben haben, dessen Kampagne 2008 sich ungeachtet jeder Dynamik konsequent an der Delegiertenarithmetik orientierte.

Mit seinem Rückzug stellt Santorum nun sicher, dass Mitt Romney problemlos die erforderlichen Delegierten für eine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten sammeln kann – und verhindert damit den größten Albtraum seiner Partei, eine „brokered convention“. Ein derartiger Parteitag der Republikaner wäre als Fehlstart in die Hauptwahlkampagne fast gleichbedeutend mit der Wiederwahl von Barack Obama gewesen. Santorum zeigt also mit seiner Entscheidung Parteiräson, was wohl in künftigen Kampagnen nicht zu seinem Nachteil sein wird (immerhin ist er neun Jahre jünger als Romney). Und er bremst damit ein letztes Mal in diesem Vorwahlkampf das alte Schlachtross Newt Gingrich aus.

Newt im Out

Als cleverer Taktiker und angriffiger Debattenredner konnte Gingrich zwar zeitweilig die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, letztlich war die mehrfach zelebrierte „Wiederauferstehung“ seiner Kampagne aber nur ein Aufbäumen gegen die Macht des Faktischen. Gingrichs Kampagne war bereits im Juni vergangenen Jahres am Rande des Scheiterns angelangt, als aufgrund interner Spannungen ein wesentlicher Teil seines Beraterstabs das Handtuch warf. Von diesem Schlag hat sich Gingrich letztlich nie erholt, denn er verlor damit wertvolle Zeit, die er für den Aufbau einer schlagkräftigen Kampagnenstruktur benötigt hätte. Und eine solche Struktur – das beweisen die Vorwahlen dieses Jahres wieder einmal – ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, um sich bei den Primaries durchzusetzen.

Auch wenn sich Gingrich nun als „last conservative standing“ präsentiert: Seit seinem enttäuschenden Abschneiden bei den Vorwahlen in Mississippi und Alabama (Südstaaten, die er eigentlich gewinnen hätte müssen) sowie im delegiertenstarken Illinois ist selbst seinen treuesten Finanziers klar, dass Gingrichs Kampagne aussichtslos ist – weshalb dieser sich bereits zu einer Verkleinerung seines Wahlkampfteams gezwungen sah. Zuletzt präsentierte er seine Kandidatur noch als zwingende Voraussetzung zur Verhinderung Mitt Romneys (obwohl er bei der von ihm damit angestrebten „brokered convention“ vielleicht nicht einmal als Kandidat zugelassen werden würde). Dieses Argument hat nun jede Legitimation verloren – und Newt damit den Zeitpunkt verpasst, seinem Ausstieg einen Hauch von Großmut zu verpassen. Er hätte sich wohl besser an der Powell-Doktrin orientieren sollen – die sieht für jeden Konflikt eine Exit-Strategie vor.

Posted in Barack Obama, Feature, Mitt Romney, Newt Gingrich, Rick Santorum0 Kommentare

Tage
-418
0
Stunden
-1
-3
Min.
-3
-9
Sek.
-3
-1
USA2012.at ist ein Projekt von:
Stefan Bachleitner | Josef Barth | Yussi Pick