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Strategy Sunday: Hausübungen

Herman Cains Kampagne ist ein schwerer Anfängerfehler unterlaufen: Sie hat ihre Hausübungen nicht gemacht. Sein Wahlkampfteam hätte auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung vorbereitet sein müssen – doch sein eher konfus wirkendes Krisenmanagement beweist das Gegenteil.

Sollte der ehemalige Boss einer Pizzakette geglaubt haben, dass die über zehn Jahre alten Vorfälle kein Wahlkampfthema werden würden, wäre er wirklich zu naiv für den Job, um den er sich bewirbt. Schließlich musste er wissen, dass die Biografie eines Bewerbers um die US-Präsidentschaft penibel durchgekämmt wird – vom Mitbewerb noch genauer als von den Medien.

Die „Opposition Research“ (hierzulande auch „Gegnerbeobachtung“ genannt) ist eine der am wenigsten sichtbaren, aber gleichzeitig wichtigsten Aufgaben in einer Kampagne. Die in diesem Bereich arbeitenden Teams durchforsten systematisch alle verfügbaren Quellen nach wahlkampfrelevanten Informationen. Und wenn sie ihren Job halbwegs verstehen, finden sie immer brauchbare Fakten, um einen Gegenkandidaten in Erklärungsnot zu bringen – selbst wenn es sich um einen kurzen Zwischenruf aus einem 21 Jahre alten Parlamentsprotokoll handeln sollte.

Sich selbst einer solchen Analyse zu unterziehen und die eigene Vita konsequent zu durchleuchten ist eine unverzichtbare Hausübung, um sich auf Attacken vorzubereiten. Cains Angaben, wonach das – zumindest oberflächlich – geschehen sein soll, halte ich für eher zweifelhaft. Denn auch wenn sein Kampagnenmanager Mark Block gelegentlich seltsame Auftritte hinlegen mag: Zumindest ihm sollte klar gewesen sein, dass sexuelle Belästigung in der amerikanischen Politik ein „Issue“ ist.

Ein gutes Team hätte sich im Vorfeld ein klares Bild von den Anschuldigungen gemacht und sich entsprechend darauf vorbereitet. Am elegantesten wäre es gewesen, das Thema lange vor dem Wahlkampf selbst an die Öffentlichkeit zu spielen – und damit den Zeitpunkt und die Tonalität der „Enthüllungen“ maßgeblich mitzubestimmen. Die Vorfälle wäre dann im Wahlkampf nicht „Breaking News“, sondern Schnee von gestern gewesen. Diese Möglichkeit wurde vergeben.

Cains Kampagne kann sich natürlich auch dafür entschieden haben, keinen Staub aufzuwirbeln, das Thema passiv zu behandeln und die Attacke abzuwarten. Doch dann hätte sie einen Krisenplan in der Schublade haben müssen, um rasch und wirksam reagieren zu können. Da Cain bislang keine klare Linie im Umgang mit den Vorwürfen gefunden hat, dürfte diese Schublade leer gewesen sein. Auch wenn manche Beobachter meinen, dass er davon profitieren könnte, nun überproportional viel mediale Aufmerksamkeit zu bekommen: Wenn er die aktuelle Diskussion nicht bald hinter sich lassen kann, wird seine Bewerbung an ihrem größten Gegner scheitern – Herman Cain himself.

Dieser Beitrag ist von Stefan Bachleitner

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5 Rückmeldungen zu “Strategy Sunday: Hausübungen”

  1. Anja sagt:

    Es scheint so, dass sich die Kampagne nun auf eine Offensive-/Einschüchterungstaktik festgelegt hat – siehe Lin Wood, Cain’s Anwalt. Allerdings wirkt das für mich eher als eine Notfallsstrategie. Man sollte doch glauben, dass in diesen Wahlkämpfen wo so viel Geld hineinfließt gute Strategen am Werk sind. Dieser Fehler und Mangel and Krisenmanagement wird der Kampagne schaden (hat es bereits wenn man neueste Umfrageergebnisse sieht). Ein weiterer Beweis dass Cain seine Hausaufgaben nicht ausreichend gemacht hat ist sein lückenhaftes Wissen in Bezug auf die Außenpolitik. Auch wenn diese in Hinsicht der internen Probleme vll. sekundär zu behandeln ist so ist es doch ein Zeichen für Erfahrung und Kompetenz.

    • Den Eindruck habe ich auch. Ein Problem seiner Offensivstrategie ist, dass er sich nicht entscheiden kann, gegen wen er seine Attacken richtet (und auch keine Fakten dafür auf den Tisch legt). Das verwirrt selbst seine Fans.

Trackbacks / Pingbacks

  1. [...] Aufgrund dieser beiden Faktoren profitiert er nun von den Fehlern seiner stärksten Konkurrenten Herman Cain und Rick [...]

  2. [...] Präsidentschaftskandidaten zurückzuziehen. Das Ende war absehbar: Seine Kampagne hatte ihre Hausübungen nicht gemacht und bekam prompt die Rechnung dafür [...]

  3. [...] Angriffe hat gerade erst begonnen. Und wir werden bald sehen, welche KandidatInnen dieses Mal ihre Hausübungen (nicht) gemacht haben [...]


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